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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0466
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462 | IV. Die Abtei von Anchin

fen, seien die Äbte Absalon von Saint-Amand und Parvinus von Saint-Sepulchre
damit beauftragt worden, den Gerüchten auf den Grund zu gehen. Sie besuchten
Aibert und konnten sich schließlich von dessen Heiligkeit überzeugen.1842 1135 sei
Aibert schließlich im 25. Jahr seiner Inklusion gestorben. Sein Tod, so das Aucta-
rium, hinterlasse bei den Mönchen von Anchin ewige Trauer.1843
Die Einträge des Auctarium machen unmissverständlich deutlich, welch große
Reputation dieser fromme Asket bei den Mönchen von Anchin genoss. Als Mönch,
der den Entschluss gefasst hatte, ein zurückgezogenes und äußerst entbehrungsrei-
ches Leben zu führen, übersteigt Aibert das für einen Mönch übliche Maß an As-
kese. Umso erstaunlicher ist es, dass seiner Person und den von ihm repäsentierten
Idealen ein so großer Stellenwert eingeräumt wird, dass sich vier der fünf Einträge
des Auctarium damit befassen. Ein Grund für dieses erhöhte Interesse an Aibert
liegt unter anderem daran, dass er der Autorität des Abtes von Crespin unterstand;
und dieses Amt wurde seit 1132 von einem ehemaligen Mönch aus Anchin namens
Algot bekleidete.1844 In seine Amtszeit fällt somit auch der Vorwurf, Aibert führe
kein frommes, sondern ein lasterhaftes Leben.1845
Besonders interessant an den Einträgen des Auctarium ist die Erwähnung der
abbates comprovinciales, womit zweiflesohne jene Äbte der Kirchenprovinz Reims
gemeint sind, die sich jährlich zum Generalkapitel versammelten. Die Kommissi-
on, die die Vorwürfe gegen Aibert zu untersuchen hatte, bestand zudem aus zwei
Äbten, die nachweislich an den Generalkapiteln teilgenommen hatten. Den abbates
comprovinciales, zu denen wohl auch der Abt von Anchin gehörte, war somit be-
1842 Auctarium, S. 395: »1134. Hoc tempore capella, a domno Aiberto iam pridem cepta, Deo volente et
auxiliante est peracta. Ad cuius benedictionem Lietardus Cameracensium episcopus invitatur, et cum
magno tripudio eam devote benedixit. Quae per 40 dies ab Omnibus pene partibus regni Dei instinctu
ita frequentatur, ut vix aut numquam adhuc hominem mortalem huic simile nemo viderit. Quo tempore
similiter apud Oscannum ab ^piscopo Remensi aecclesia consecratur; cui archiepiscopus, episcopi et
abates comprovinciales faventes, multitudinem, domnum Aibertum frequentantem, prohibere ceper-
unt, et de eo multa infamando dicere, quae reticere melius putavimus. In tantum enim eorum prevaluit
contentio, ut causa probationis ad eum mitterent abbatem Sancti Amandi domnum Absalon, et abba-
tem Sancti Sepulchri Parvinum, utrum talis et tantus esset qualem fama de eo diffusa aures omnium
percellerat. Qui eius sanctitate comperta, per omnia laudantes Deum, ad eos a quibus missi fuerant
rediere.«
1843 Auctarium, S. 395: »1135. Obiit domnus Aibertus piae memoriae, et nobis perpetuum merorem reliquit
absentiae suae, anno incarnationis Domini 1135, inclusionis autem suae 25, die sancto paschae.«
1844 Verwechslung von Crespin mit Saint-Crepin in Soissons. Die Vita Gosuini prima bezeichnet Algot
ebenfalls fälschlicherweise als Abt von Saint-Crepin (S. Crispini). H. Sproemberg, Alvisus, S. 129,
Anm. 103 stellte bereits fest, dass Algot in Saint-Crepin nicht nachgewiesen ist. Die Gesta abbatum
Lobbiensium, c. 24, S. 327 bezeichnen Algot als Abt von Crespin: »Affuit inter alios vir religiosus abbas
Crispiniensis Algotus nomine [...].«
1845 Ch. Dereine, Ermites, reclus et recluses, S. 304 sieht einen Grund für die Anschuldigungen im Neid
der Priester der umliegenden Kirchen: »Ce succes entraine une Opposition, probablement des pretres
qui se voient prives d’une partie de leurs offrandes.«
 
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