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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0471
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5. Die zeitgenössischen Texte als Überreste der correctio | 467

weit weniger einfühlsam agierte, zeugt seine Reaktion in dieser Angelegenheit von
besonderem Respekt gegenüber Alvisus von Anchin.1862
In unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Fall Godwins steht der Fall Fulberts von
Saint-Sepulchre in Cambrai. 1128 wurde dieser Abt wegen mangelnder Eignung
aus seinem Amt entfernt. Diese Angelegenheit erhält umso mehr Brisanz, bedenkt
man, dass Fulbert ein Schüler des Alvisus war und dass offenbar die Meinung vor-
herrschte, Bernhard habe dessen Absetzung vorangetrieben.1863 In einem Brief an
den Kardinalkanzler Haimerich beklagte sich Bernhard darüber, dass man ihm die
Schuld an Fulberts Absetzung gebe und allgemeiner gesprochen, dass er sich in
Angelegenheiten einmische, die ihn nichts angingen.1864 Er räumt zwar ein, im Falle
Fulberts beteiligt gewesen zu sein, beteuert allerdings, dass die Entscheidung allein
vom Erzbischof von Reims und weiteren Personen ausgegangen sei.1865 Sproem-
berg vermutet sicher richtig, dass auch Alvisus zu jenen »Missvergnügten« gehörte
und ein Vorgehen gegen einen seiner Schüler als »sehr unangenehm« empfunden
habe.1866 Führt man sich nun aber vor Augen, mit welcher Vehemenz Alvisus im Fall
Godwins reagierte, ist es mehr als wahrscheinlich, dass er auch im Falle Fulberts
eine ähnliche Reaktion an den Tag legte. Ob daher das Verhältnis zwischen Bern-
hard und Alvisus tatsächlich so positiv war, wie Sproemberg meint, ist fraglich. So
bemerkt er: »Von Dauer dürfte diese Verstimmung aber nicht gewesen sein, das ge-
meinsame große Ziel der Reform hat die beiden streng kirchlich gesinnten Männer
wieder zusammengeführt.«1867
In der Folgezeit standen beide jedenfalls immer wieder in Kontakt zueinander.
1131 begleitete Bernhard Papst Innozenz auf seiner Reise nach Lüttich und durch-
querte dabei die Grafschaft Flandern.1868 Dass er sich bei dieser Gelegenheit mit
Alvisus, dem neuen Bischof von Arras, getroffen hat, ist zwar mehr als wahrschein-
1862 Zu denken ist hier an den Fall von Saint-Germer in Fly. Bernhard argumentiert, dass er dieses Kloster
und seine Mönche nicht kenne, und sieht daher auch keinen Bedarf, sich mit der Angelegenheit länger
zu befassen. Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 67, 68, S. 163-168.
1863 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 191-192.
1864 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 48, S. 137-140.
1865 Bernhard von Clairvaux, Opera, Bd. 7, ep. 48, S. 138: »Laudent si volunt, vel vituperent si audent, de
primo quidem dominum Albanensem, de secundo vero dominum Remensem, porro de tertio eumdem
aeque archiepiscopum simul et episcopum Laudunensem, cum Rege pariter et multis aliis reverendis
personis, qui se utique auctores in his et principes exstitisse minime diffitentur. Si bene egerunt, quid ad
me? Si aliter, quid aeque ad me? An tota et sola culpa mea est quod affui [...].« Bernhard spielt hier auf
drei Affären an: erstens das Konzil von Chälons-sur-Marne, auf dem Bischof Heinrich von Winchester
zum Rücktritt bewogen wurde, zweitens die Absetzung Fulberts von Saint-Sepulchre in Cambrai und
drittens die Vertreibung der Nonnen von Saint-Jean in Laon.
1866 H. Sproemberg, Alvisus, S. 134.
1867 H. Sproemberg, Alvisus, S. 134.
1868 A. Dimier, Saint Bernard et le recrutement, S. 27; zu Bernhards Reise nach Lüttich 1131 vgl. P. Dinzel-
bacher, Bernhard von Clairvaux, S. 141-143.
 
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