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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0507
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7. Die Vita Gosuini prima | 503

derungen erfahren hatte. Guifred sah sich letztlich aber gezwungen, tum furore
hostili... tum fame sein Amt niederzulegen.2048 Als sein Nachfolger habe Gerland
schließlich die Gemeinschaft, quam strenue quam prudenter geleitet.2049 Die Klos-
terchronik wahrt sein Andenken weniger als Abt, der eine correctio angestoßen hat-
te, als vielmehr als äußerst fähigen Mann. Eines solchen bedurfte es umso mehr, als
der Abt von Saint-Andre seit 1091 zugleich der Vicarius des Bischofs von Cambrai
war und somit eine wichtige politische Funktion innehatte.2050 Ebenfalls in Camb-
rai befand sich die Abtei Saint-Sepulchre, der seit 1120 Abt Fulbert vorstand. 1128
wurde er allerdings wegen seiner angeblich schlechten Verwaltung des Klosters auf
der Synode von Troyes abgesetzt.2051 Trotz dieses Misserfolges wird Fulbert in der
Vita Gosuiniprima als Schüler Gossuins aufgeführt, obgleich sein Abbatiat noch in
die Amtszeit des Alvisus fällt. Der einzige Abt, der vor dem Amtsantritt Gossuins
zweifelsfrei mit einer umfassenden correctio eines Klosters in Verbindung gebracht
werden kann, ist Amand von Castello, der Abt von Marchiennes.
Die große Zahl von Äbten, die die Abtei von Anchin im Laufe des 12. Jahrhun-
derts hervorbrachte, wurde in der Forschung immer wieder als Indiz für eine von
Anchin ausgehende »Reformbewegung« gesehen. Sproemberg und zuletzt Van-
derputten legen die Vermutung nahe, dass Alvisus von Anchin eine entschiedene
Personalpolitik betrieb, die darauf abzielte, Mönche der »Reformpartei« in Schlüs-
selpositionen zu setzen und damit ein »informelles Netz von Klöstern« zu etablie-
ren, die sich in besonderem Maße der »Reform« verschrieben hatten. Unter »Re-
form« wird dabei die spirituelle Ausrichtung der Gemeinschaften verstanden.2052
Zwischen 1125 und 1130 habe der Abt von Anchin zudem damit begonnen, die bi-
schöflichen Höfe zu frequentieren, um dort Unterstützung für die Beaufsichtigung
und wenn nötig die correctio von Gemeinschaften zu finden.2053 Dieser religiöse
Eifer mündete schließlich in den Generalkapiteln der Kirchenprovinz Reims, auf
denen Alvisus eine äußerst aktive Rolle gespielt haben soll.2054
2048 Chronicon S. Andreae castri Cameracensii, III, c. 30, S. 546: »Interea domnus abbas Guiffridus, tum
hostile furore qui per totam patriam depopulator, tum fame quae vehementer omnem terram premebat
fatigatus, velut magna tempestate quassatus amisso clavo navim vagantem mediis fluctibus, ecclesiam
hanc detinebat; sed tandem in se reversus potum quietis adiit et prelationis onus deposuit.«
2049 Chronicon S. Andreae castri Cameracensii, III, c. 30, S. 546: »Qui quam strenue quam prudenter su-
sceptam ecclesiam rexerit.«
2050 Zum Vicarius von Cambrai vgl. J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 186, Anm. 7.
2051 Bernhards Brief an Haimerich, Bernhard von Clairvaux, Opera omnia, Bd. 7, ep. 48, S. 137-140; Or-
deric Vitalis, Historia ecclesiastica, S. 16.
2052 S. Vanderputten, A Time of Great Confusion, S. 52-53; H. Sproemberg, Alvisus, S. 130-131.
2053 S. Vanderputten, A Time of Great Confusion, S. 56.
2054 H. Sproemberg, Alvisus, S. 137 sieht in Alvisus eine der führenden Persönlichkeiten der Generalkapitel;
S. Ceglar, Guillaume de Saint-Thierry, S. 299-309 konnte dagegen zeigen, dass vor allem Wilhelm von
Saint-Thierry federführend war.
 
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