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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0522
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518 | IV. Die Abtei von Anchin

auch Bischof Alvisus von Arras zur Aufgabe gestellt hatten, reagierten. Für sie und
ihr soziales Umfeld waren Eingriffe in innere Angelegenheiten, wie beispielsweise
die Abtswahl in Marchiennes, nicht akzeptabel und Anlass dazu, ihre Eigenstän-
digkeit zu behaupten. Die Reaktionen in Lobbes (das Erinnern an das aggressive
Vorgehen der abbates} und Marchiennes (Appellation nach Rom) lassen letztlich
darauf schließen, dass für sie das Vorhaben einer Vereinheitlichung und Kontrolle
des Mönchtums und ihre Begleiterscheinungen (zielgerichtete Personalpolitik) neu
und fremdartig und in letztem Schluss vor allem unerwünscht waren. Das Beispiel
der Beziehungen zwischen Anchin, den abbates comprovinciales beziehungsweise
Alvisus von Arras und den genannten Klöstern fördert somit zwei unterschied-
liche Auffassungen von correctio an den Tag: Während die betroffenen Klöster ihre
correctio als einen einmaligen Akt ansahen, an dem Mönche aus Anchin beteiligt
waren, denen man auch zu Dank verpflichtet war, ging es den abbates comprovin-
ciales darum, diese einmalige correctio zumindest im spirituellen Bereich zu verste-
tigen, wozu eine ständige Kontrolle und gezielte Personalpolitik von Nöten waren.
Dieser Institutionalisierungsprozess scheiterte schlussendlich am Widerstand der
Gemeinschaften, und eben dies bekräftigt folgende Erkenntnisse: Die correctio ei-
nes Klosters bedurfte stets der Hilfe anderer Gemeinschaften; ihrem Einfluss waren
aber durchaus Grenzen gesetzt, da die in das Kloster geschickten Mönche auf die
lokalen Gegebenheiten und die Interessen des jeweiligen sozialen Umfelds zu ach-
ten hatten. Nach Auffassung der Zeitgenossen war die Umsetzung einer correctio
nur dann von Erfolg gekrönt, wenn der notwendige Spielraum gegeben war. Der
Versuch der abbates comprovinciales, die klösterliche Lebensweise zu verstetigen
und zu kontrollieren, schränkte diesen Spielraum aber stark ein und wurde nur
geduldet, solange die Interessen der Gemeinschaft und ihres sozialen Umfelds da-
durch nicht behindert wurden. Dem Vorgehen der abbates, das in Ansätzen das
Modell der Filiation widerspiegelt, wurden somit deutliche Grenzen gesetzt: Für
den Raum Flandern muss daher das ab den 1130er Jahren fassbare Filiationsmodell
dahingehend modifiziert werden, dass es vor allem die vielfältigen Beziehungen der
Klöster mit ihrem jeweiligen sozialen Umfeld stärker mit einbezieht.
 
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