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2. Gegenstand: Das Gewissen
cognitio, doctrina, similia sui ipsius“).13 Doch ist damit die Fülle der Bedeutun-
gen keineswegs erschöpft.14
Vor allem die zahlreichen Metaphorisierungen trugen entscheidend zur Er-
weiterung dessen bei, was mit „Gewissen“ bezeichnet wurde. So begegnet es als
Gottes Stimme15, als dessen Herold oder Bote16, als sein Schulmeister17 oder all-
gemein als Ausdruck göttlicher Eingebung („immissio divina“)18; als Wissen von
sich selbst („sui ipsius scientia“)19 und Pflichtbewusstsein20.
13 Thesaurus linguae latinae, Bd. 4, Sp. 364-8.
14 Vgl. hierzu B. Hennig, Conscientia', R. Lindemann, Der Begriff der conscience, S. 3-70, mit
einer Fülle von Bedeutungen; ebenso: Ph. Delhaye, Le probleme, S. 77-9; G. Spitzbart, Das
Gewissen, S. 99-174; J. Stelzenberger, Conscientia bei Augustinus, S. 22, Anm. 25; Ders.,
Syneidesis, Conscientia, Gewissen, S. 21-34, 43-52, 68-72 und passim', H. Reiner, Funktio-
nen des Gewissens', D. Kartschoke, Der epische Held, S. 149f.; R. Sorabji, Graeco Roman
Origins, S. 366-75. Zum römischen Begriff conscientia vgl. R. Lindemann, Der Begriff der
conscience, S. 3-15. Im Vergleich östlicher und westlicher Traditionen mit reichem Quellen-
überblick: J. Stelzenberger, Conscientia in der ost-westlichen Spannung. Die lexikographi-
schen Versuche einer Begriffsbestimmung im 17. Jh. skizzierte jüngst F. Giampietri, Con-
scientia mutabilis.
15 [...] in cuius conscientia non loquatur Deus? Augustinus, De sermone Domini in monte, lib.
II, cap. 9.32, S. 122. Kittsteiner formulierte dies prägnant: „Das Gewissen ist ein auditives
Phänomen: der Gott spricht, der Mensch soll hören.“ H. D. Kittsteiner, Gewissen und
Geschichte, S. 15. Vgl. auch J. u. W. Grimm, „ Gewissen IV“, Sp. 6220. Zu diesem Bild in der
Patristik: Ph. Delhaye, La probleme, S. 61-5 sowie speziell im Werk des Bernhard von
Clairvaux, ebd., S. 20-3. Hinzuweisen ist auch auf den Abschnitt zur Marginalie „Consci-
entia Dei vox“ in Houdrys, Bibliotheca Concionatoria, Artikel „ Conscientia“, § 2, S. 421 b.
Dieser Gedanke findet sich modifiziert noch bei Rousseau, der das Gewissen mit analogen
Bezeichnungen zur höchsten moralischen, weil natürlichen Instanz im Menschen erklärte:
„Conscience! conscience! instinct divin, immortelle et celeste voix [...].“ J. J. Rousseau,
Emile, IV, S. 419. Die ,conscience‘ ist ,göttlich‘, weil sie gut und böse zu unterscheiden ver-
mag. Vgl. R. Lindemann, Der Begriff der conscience, S. 106. Ebenso auch in der katholischen
Aufklärung, vgl. Chr. Handschuh, Die wahre Aufklärung, S. 49. Für Johann Michael Sai-
lers (J 1832) einflussreiche Moraltheologie hebt dies hervor: B. Jendrosch,/oA«777 Michael
Sailers Lehre, S. 111.
16 So bei Gabriel Biel oder auch Bonaventura, vgl. mit Nachweisen: E. Hirsch, Lutherstudien,
Bd. 1, S. 17.
17 „Conscience is [...] called [...] a Schoolmaster also, to urge us to learn and poerform our
duties.“ A. Cade, A Sermon necessary for these Times, S. 10. Vgl. zu diesem Text nachfolgend
im Kapitel 6.2 d). Ebenso auch in W. Worship, The Christians lewell, S. 36f. sowie im Tractatus
de conscientia des Jacques Lobbet, vgl. unten S. 319, Anm. 405.
18 Thomas von Aquin, De veritate, qu. 17, art. 1, rc 6, ed. R. Busa, Bd. 3, S. 108 a.
19 „Conscientia est sui ipsius scientia Petrus Cellensis, De conscientia, S. 199.
20 Vgl. die Zeugnisse bei J. Stelzenberger, Syneidesis, Conscientia, Gewissen, S. 50f. Kant nennt
es später „ein Bewußtsein, das für sich selbst Pflicht ist“. I. Kant, Die Religion innerhalb der
Grenzen der bloßen Vernunft, IV.2, § 4, S. 250. Ähnlich auch Fichte, der das Gewissen „als das
unmittelbare Bewusstseyn unserer bestimmten Pflicht“ definiert. J. G. Fichte, System der
Sittenlehre, III.l, § 15.V, S. 173.
2. Gegenstand: Das Gewissen
cognitio, doctrina, similia sui ipsius“).13 Doch ist damit die Fülle der Bedeutun-
gen keineswegs erschöpft.14
Vor allem die zahlreichen Metaphorisierungen trugen entscheidend zur Er-
weiterung dessen bei, was mit „Gewissen“ bezeichnet wurde. So begegnet es als
Gottes Stimme15, als dessen Herold oder Bote16, als sein Schulmeister17 oder all-
gemein als Ausdruck göttlicher Eingebung („immissio divina“)18; als Wissen von
sich selbst („sui ipsius scientia“)19 und Pflichtbewusstsein20.
13 Thesaurus linguae latinae, Bd. 4, Sp. 364-8.
14 Vgl. hierzu B. Hennig, Conscientia', R. Lindemann, Der Begriff der conscience, S. 3-70, mit
einer Fülle von Bedeutungen; ebenso: Ph. Delhaye, Le probleme, S. 77-9; G. Spitzbart, Das
Gewissen, S. 99-174; J. Stelzenberger, Conscientia bei Augustinus, S. 22, Anm. 25; Ders.,
Syneidesis, Conscientia, Gewissen, S. 21-34, 43-52, 68-72 und passim', H. Reiner, Funktio-
nen des Gewissens', D. Kartschoke, Der epische Held, S. 149f.; R. Sorabji, Graeco Roman
Origins, S. 366-75. Zum römischen Begriff conscientia vgl. R. Lindemann, Der Begriff der
conscience, S. 3-15. Im Vergleich östlicher und westlicher Traditionen mit reichem Quellen-
überblick: J. Stelzenberger, Conscientia in der ost-westlichen Spannung. Die lexikographi-
schen Versuche einer Begriffsbestimmung im 17. Jh. skizzierte jüngst F. Giampietri, Con-
scientia mutabilis.
15 [...] in cuius conscientia non loquatur Deus? Augustinus, De sermone Domini in monte, lib.
II, cap. 9.32, S. 122. Kittsteiner formulierte dies prägnant: „Das Gewissen ist ein auditives
Phänomen: der Gott spricht, der Mensch soll hören.“ H. D. Kittsteiner, Gewissen und
Geschichte, S. 15. Vgl. auch J. u. W. Grimm, „ Gewissen IV“, Sp. 6220. Zu diesem Bild in der
Patristik: Ph. Delhaye, La probleme, S. 61-5 sowie speziell im Werk des Bernhard von
Clairvaux, ebd., S. 20-3. Hinzuweisen ist auch auf den Abschnitt zur Marginalie „Consci-
entia Dei vox“ in Houdrys, Bibliotheca Concionatoria, Artikel „ Conscientia“, § 2, S. 421 b.
Dieser Gedanke findet sich modifiziert noch bei Rousseau, der das Gewissen mit analogen
Bezeichnungen zur höchsten moralischen, weil natürlichen Instanz im Menschen erklärte:
„Conscience! conscience! instinct divin, immortelle et celeste voix [...].“ J. J. Rousseau,
Emile, IV, S. 419. Die ,conscience‘ ist ,göttlich‘, weil sie gut und böse zu unterscheiden ver-
mag. Vgl. R. Lindemann, Der Begriff der conscience, S. 106. Ebenso auch in der katholischen
Aufklärung, vgl. Chr. Handschuh, Die wahre Aufklärung, S. 49. Für Johann Michael Sai-
lers (J 1832) einflussreiche Moraltheologie hebt dies hervor: B. Jendrosch,/oA«777 Michael
Sailers Lehre, S. 111.
16 So bei Gabriel Biel oder auch Bonaventura, vgl. mit Nachweisen: E. Hirsch, Lutherstudien,
Bd. 1, S. 17.
17 „Conscience is [...] called [...] a Schoolmaster also, to urge us to learn and poerform our
duties.“ A. Cade, A Sermon necessary for these Times, S. 10. Vgl. zu diesem Text nachfolgend
im Kapitel 6.2 d). Ebenso auch in W. Worship, The Christians lewell, S. 36f. sowie im Tractatus
de conscientia des Jacques Lobbet, vgl. unten S. 319, Anm. 405.
18 Thomas von Aquin, De veritate, qu. 17, art. 1, rc 6, ed. R. Busa, Bd. 3, S. 108 a.
19 „Conscientia est sui ipsius scientia Petrus Cellensis, De conscientia, S. 199.
20 Vgl. die Zeugnisse bei J. Stelzenberger, Syneidesis, Conscientia, Gewissen, S. 50f. Kant nennt
es später „ein Bewußtsein, das für sich selbst Pflicht ist“. I. Kant, Die Religion innerhalb der
Grenzen der bloßen Vernunft, IV.2, § 4, S. 250. Ähnlich auch Fichte, der das Gewissen „als das
unmittelbare Bewusstseyn unserer bestimmten Pflicht“ definiert. J. G. Fichte, System der
Sittenlehre, III.l, § 15.V, S. 173.