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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0265
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6. Rezeptionen und Wirkungen

Mit den Ausführungen über die vier Gewissensarten ist der Abschnitt zur Si-
cherheit des Gewissens, und damit die erste der drei Ursachen geistlicher Freu-
den, auch bereits abgeschlossen. Die folgenden Passagen über die Betrachtung
des Lohns und das Nachsinnen über das Göttliche nehmen auf das zum Gewis-
sen Gesagte ebenso wenig Bezug wie der letzte Abschnitt zu den ewigen Freu-
den. Was hier folgt, sind wiederum fast ausschließlich Zitate, weshalb das Gewis-
sensmotiv innerhalb der Predigt kaum durch einen besonderen argumentativen
Zusammenhang auffällt, in den es gestellt wurde. Im speziellen Fall der Sermones
Parati scheint vielmehr der Umstand seiner Präsenz in dieser Sammlung für sich
genommen von Bedeutung. Diese Konstellation verweist nicht nur darauf, dass
das Motiv der vier Gewissensarten zu jenen zählte, die im intellektuellen Reser-
voir der Zeit präsent waren; zugleich trug die Popularität des Predigtzyklus
selbst wohl wiederum nicht unwesentlich zu dessen weiterer Verbreitung bei.
Bernardino da Siena: Sermo de conscientia bona et mala
In den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts verfasste der Franziskaner-Observant
Bernardino da Siena seinen Predigtzyklus Quadragesimale de evangelio aeterno
- die Fastenspeise vom ewigen Evangelium Während dieser Zeit genoss
Bernardino bereits höchstes Ansehen als geistliche Autorität und Vertreter des
strengen Flügels seines Ordens, dem er schließlich sogar als Vikar vorstand; er
zog predigend durch den Norden und die Mitte Italiens, lehnte in gut spiritualer
Manier die ihm angebotenen Bischofssitze von Ferrara und Urbino ab und ver-
fasste neben dem Quadragesimale noch zahlreiche weitere Schriften.147 148
Unter den 65 Sermones des hier interessierenden Zyklus zur Fastenzeit ist
auch eine - die zum Dienstag nach Palmsonntag (Feria tertia post dominicam
oliv ar um) - enthalten, die bereits durch ihren Titel De conscientia bona et mala
eine deutliche thematische Nähe zum Motiv der vier Gewissensarten aufweist.
Mit dieser Predigt entwarf Bernardino ein ganzes Panorama der Gewissens-
lehren seiner Zeit. Ihr Hintergrund ist, wie er im , Vorwort4 bekennt, das an-
stehende Osterfest: Je weiter man sich diesen heiligen Tagen nähere, umso
wichtiger sei es, das eigene Gewissen auf dieses allerheiligste Heilszeichen vor-

147 Die Editoren geben den Entstehungszeitraum mit 1430-44 an: Bernardino da Siena, Quad-
ragesimale de evangelio aeterno, Bd. 3, S. XVf. Ihnen folgt C.A.L.M.A., Bd. II.3, S. 281, n° 12.
Dionisio Pacetti hatte den Zeitraum der Entstehung noch etwas enger von 1430 bis 1437 ge-
fasst: D. Pacetti, GH scritti di San Bernardino da Siena, S. 31. Die Jahre 1430-37 geben auch
G. Busetto / R. Manselli, „Bernardinos v. Siena“, Sp. 1974, als Entstehungszeitraum an.
148 Zur Biographie vgl. R. Manselli, „Bernardino da Siena, santo“. Eine Übersicht der Schriften
mit entsprechenden Datierungen bei D. Pacetti, Gli scritti di San Bernardino da Siena.
 
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