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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0264
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

263

von Kempen vermerkte später ausdrücklich, dass ein schlechtes Gewissen stets
furchtsam und unruhig sei.143
Unter den genannten Autoritäten zum Gegenstand der secura conscientia ist
Bernhard von Clairvaux gleich doppelt präsent: Neben dem bereits erwähn-
ten Zitat aus dessen Predigt Über die Dreifaltigkeit des Menschen folgt als letztes
und besonders umfangreiches der gesamten Reihe noch ein weiteres aus dessen
Predigt Vom vierfachen Gewissen'.
„Bernhard: Ein Gewissen aber ist gut und nicht ruhig, ein anderes ruhig und nicht
gut, das eine gut und ruhig, das andere weder gut noch ruhig. Gut und nicht ruhig
ist es bei denen, die sich bereits zum Herrn bekehrt haben und ihre Jahre in Bitter-
keit überdenken. Ruhig, aber nicht gut ist es bei denen, die in Vermessenheit sün-
digen und in ihren Herzen sprechen: Gott fordert keine Rechenschaft. Das kommt
vor allem bei Jugendlichen vor. Gut und ruhig ist es bei denen, die das Fleisch dem
Geist unterworfen haben und die denen, die den Frieden hassen, friedfertig begeg-
nen. Das ist die Ruhestätte der Seele; darin findet die Seele Ruhe. Weder gut noch
ruhig ist es bei denen, die wegen der Menge ihrer Sünden verzweifeln.“144
Dieser Bezug auf die Predigt Vom vierfachen Gewissen ist bemerkenswert, weil
der Verfasser der Paratus-Predägt genau den Aspekt nicht berücksichtigte, der zu
seinem Gegenstand - der Sicherheit des Gewissens - in besonderer Weise gepasst
hätte, und der ja, wie bereits erwähnt, der Aufzählung der vier Gewissensarten
innerhalb der bernhardischen Predigt unmittelbar folgt: nämlich denjenigen der
durch Gott zu garantierenden securitas conscientiae, die, Bernhard zufolge, das
Gewissen erst wahrhaft vollkommen mache.145 Der Grund hierfür liegt wohl im
Bezug des Predigers auf jene Fassung von Bernhards Text, die in den Flores
Bernardi zu finden ist. Hier war ja, wie bereits angemerkt, genau jene fünfte Art
des Gewissens weggefallen.146

143 „Mala conscientia, semper timida et inquieta.“ Thomas von Kempen, De imitatione Christi,
Üb. II, cap. 6.4, S. 102.
144 „Bernardus. Conscientia aut bona et non tranquilla, et alia tranquilla et non bona, alia bona et
tranquilla, alia nec bona nec tranquilla. Bona et non tranquilla est eorum qui iam conversi ad
Dominum cogitant annos suos in amaritudine. Tranquilla et non bona est eorum qui in spe
peccant et dicunt in corde eorum: Deus ista non requiret, ista maxime est adolescentium. Bona
et tranquilla est eorum qui carnem spiritui subdiderunt, et cum his qui oderunt pacem sunt
pacifici, hec est requies anime in hac requiem capit anima. Nec bona nec tranquilla est eorum
qui in multitudine peccatorum desperant.“ Sermones ,parati1, Sermo LXXXIV (dom. III post
pascha); vgl. Bernhard von Clairvaux, Sermones de diversis, Sermo CXII: De quadruplici
conscientia, in: Sämtliche Werke, Bd. 9, S. 800, vgl. oben S. 61.
145 Vgl. oben S. 64f.
146 Vgl. oben S. 241.
 
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