3. TEXTZEUGEN: DAS MOTIV DER
VIER GEWISSENSARTEN
Vor dem Hintergrund der eben vorgestellten Systematisierungen von Gewis-
sensarten soll nun der Blick auf die konkrete Überlieferungs jenes hier im be-
sonderen Fokus stehenden Viererschemas gerichtet werden. Wie gezeigt wurde,
stellte dieses weder das einzige Prinzip dar, Arten von Gewissen qualifizierend
zu unterscheiden, noch ist es jenes, das die weiteste Verbreitung gefunden hat.
Die in der Tradition des Thomas von Aquin stehende Differenzierung von
recta, erronea, dubia und scrupulosa conscientia erweist sich zumindest inner-
halb des philosophischen Diskurses als deutlich einflussreicher.1 Dennoch
stellte auch das Ordnungsschema von gut und ruhig, gut und unruhig, schlecht
und ruhig sowie schlecht und unruhig eine wirkmächtige Konzeption dar, wie
bereits angedeutet wurde und wie im Fortgang dieser Arbeit noch ausführlich
zu zeigen sein wird. Sie erwies sich als innovativ in ihrer Zeit und anschlussfä-
hig für spätere Epochen.
Im Folgenden sollen jene Textkonstellationen vorgestellt werden, die als pri-
märe Schicht für die Überlieferung des Motivs der vier Arten des Gewissens gel-
ten können, und die zugleich auf das Milieu hindeuten, in dem dieses mit hoher
Wahrscheinlichkeit entstand oder zumindest, von dem ausgehend es seine Wir-
kung entfaltete: die sich erneuernde vita religiosa des 12. Jahrhunderts. Es sind
dies zunächst die 112. Predigt aus der Sammlung De diversis des Bernhard von
Clairvaux sowie ein innerhalb der dritten Sammlung von Bernhards Senten-
zen überliefertes Diktum. Hinzu kommen zwei kurze Sentenzen, die unter dem
Namen Hugos von St. Viktor überliefert sind, sowie eine weitere anonyme, die
in Pariser Handschriften nachgewiesen werden konnte. Schließlich ist auf jenen
Traktat zu verweisen, der bisher unter dem Titel De conscientia unter den Pseudo-
Bernardina gedruckt wurde.
Allen genannten Texten ist gemeinsam, dass die jeweiligen Umstände ihrer
Entstehung unbekannt sind und auch kaum erhellt werden können. Trotz ver-
gleichsweise guter Kenntnisse über die Figuren Bernhard von Clairvaux und
Hugo von St. Viktor, denen die genannten Schriften mehr oder weniger sicher
zugeschrieben wurden oder noch werden, ist unser Wissen über diese Texte selbst
äußerst bescheiden. Dies ist wohl wesentlich darauf zurückzuführen, dass es sich
1 Vgl. oben S. 55.
VIER GEWISSENSARTEN
Vor dem Hintergrund der eben vorgestellten Systematisierungen von Gewis-
sensarten soll nun der Blick auf die konkrete Überlieferungs jenes hier im be-
sonderen Fokus stehenden Viererschemas gerichtet werden. Wie gezeigt wurde,
stellte dieses weder das einzige Prinzip dar, Arten von Gewissen qualifizierend
zu unterscheiden, noch ist es jenes, das die weiteste Verbreitung gefunden hat.
Die in der Tradition des Thomas von Aquin stehende Differenzierung von
recta, erronea, dubia und scrupulosa conscientia erweist sich zumindest inner-
halb des philosophischen Diskurses als deutlich einflussreicher.1 Dennoch
stellte auch das Ordnungsschema von gut und ruhig, gut und unruhig, schlecht
und ruhig sowie schlecht und unruhig eine wirkmächtige Konzeption dar, wie
bereits angedeutet wurde und wie im Fortgang dieser Arbeit noch ausführlich
zu zeigen sein wird. Sie erwies sich als innovativ in ihrer Zeit und anschlussfä-
hig für spätere Epochen.
Im Folgenden sollen jene Textkonstellationen vorgestellt werden, die als pri-
märe Schicht für die Überlieferung des Motivs der vier Arten des Gewissens gel-
ten können, und die zugleich auf das Milieu hindeuten, in dem dieses mit hoher
Wahrscheinlichkeit entstand oder zumindest, von dem ausgehend es seine Wir-
kung entfaltete: die sich erneuernde vita religiosa des 12. Jahrhunderts. Es sind
dies zunächst die 112. Predigt aus der Sammlung De diversis des Bernhard von
Clairvaux sowie ein innerhalb der dritten Sammlung von Bernhards Senten-
zen überliefertes Diktum. Hinzu kommen zwei kurze Sentenzen, die unter dem
Namen Hugos von St. Viktor überliefert sind, sowie eine weitere anonyme, die
in Pariser Handschriften nachgewiesen werden konnte. Schließlich ist auf jenen
Traktat zu verweisen, der bisher unter dem Titel De conscientia unter den Pseudo-
Bernardina gedruckt wurde.
Allen genannten Texten ist gemeinsam, dass die jeweiligen Umstände ihrer
Entstehung unbekannt sind und auch kaum erhellt werden können. Trotz ver-
gleichsweise guter Kenntnisse über die Figuren Bernhard von Clairvaux und
Hugo von St. Viktor, denen die genannten Schriften mehr oder weniger sicher
zugeschrieben wurden oder noch werden, ist unser Wissen über diese Texte selbst
äußerst bescheiden. Dies ist wohl wesentlich darauf zurückzuführen, dass es sich
1 Vgl. oben S. 55.