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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Verlag Schnell & Steiner [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0053
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Einleitung

49

In der betrachteten Zeitspanne veranschaulichen die Statuten eine hohe Flexi-
bilität des wilhelmitischen Ordensrechts. Einerseits nämlich erlaubte es dem Ge-
neralkapitel auf zentraler Ebene, Fehler zu korrigieren und auf neue Sachlagen
entsprechend zu reagieren, was insbesondere in den Statuten von 1271, 1340 und
1348 sehr deutlich wird.89 Nicht selten nutzten sie dabei allgemeine Rechtsbegrif-
fe, z. B. denjenigen der Apostasie oder Flucht. Dies freilich ist in der mittelalter-
lichen Ordenslandschaft nichts Außergewöhnliches. Jene Flexibilität des Rechts
aber wurde zusätzlich - und dies ist durchaus bemerkenswert - durch die erfor-
derliche Approbation aller Generalkapitelsbeschlüsse auf den (zumindest) franzö-
sischen und deutschen Provinzkapiteln gewährleistet. So konnte man im Hinblick
auf lokale Gegebenheiten vergleichsweise beweglich zu bleiben.
Eine derartig in die zentrale Ordenslegislative hineinragende Machtbefugnis
der Provinzkapitel ist eine, wenn auch an keiner Stelle in den Generalstatuten ex-
plizit gesatzte Besonderheit in der mittelalterlichen vita religiosa. Sie erschließt
sich vor allem aus dem Faktischen. So dokumentieren einige Handschriften in den
Überschriften und Nachträgen der Generalstatuten, selbige seien von Provinzka-
piteln angenommen worden (accepta).90 Darüber hinaus tauchen (zumindest ge-
mäß der Handschriften C und V) die Generalstatuten von 1304 als Provinzialsta-
tuten von 1305 auf.91 Zusätzlich ist in den Statuten von 1340 die Rede von älteren
Generalstatuten, die nicht ordnungsgemäß zweimal angenommen worden seien
und deshalb widerrufen würden.92
Fest steht, im Provinz- und Generalkapitel begegneten sich zwei hierarchische
Ebenen der Ordensverfassung. Zwar adressieren die wilhelmitischen Generalsta-
tuten an einigen Stellen die sog. Oberen (prelati). Eine konkrete Differenzierung
in Generalkapitel der Oberen (prelati) und solche der Untergebenen (subditi) mit
gegenseitiger Kontrollfunktion, wie etwa bei den Dominikanern93, hat es bei den
Wilhelmiten jedoch nicht gegeben. Ob es sich bei den eingeforderten zweifachen
Approbationen um eine dreifache Lesung auf General- und Provinzkapiteln han-

89 Siehe die Schilderungen oben, S. 30-42, und die entsprechenden Statuten in der Edition.
90 Siehe dazu u. a. diese Einleitung, oben, S. 38.
91 Siehe dazu diese Einleitung, oben, vor allem S. 36.
92 Siehe das Statut El: [...] utrum rite fuerint per duo, ut debuerint, capitula confirmata [...].
Vgl. unten, S. 278.
93 Vgl. u. a. Hourlier, Le chapitre general jusqu’au moment du Grand Schisme, S. 134-136; Hin-
nebusch, The History of the Dominican Order, Bd. 1, S. 170 und Melville, Die Rechtsord-
nung der Dominikaner, S. 584-585; Ders., Systemrationalität und der dominikanische Erfolg,
S. 166, Ders., Fiat secretum scrutinium, S. 441-443. Gert Melville verwies hier freilich zu Recht
auf die Ausnahmebestände im Falle der Kapitel zur Wahl des Generalmagisters und der sog.
capitula generalissima, die sich aus subditi und praelati konstituierten.
 
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