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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Verlag Schnell & Steiner [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348): Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 5: Regensburg: Schnell + Steiner, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.53725#0060
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56

Einleitung

dem heißt es etwa in den Handschriften A.l und C, dass aus den Orden der Kar-
täuser, Zisterzienser, Dominikaner und Franziskaner ohne Entlassungsschreiben
seines Oberen oder ohne Lizenz des Generals bzw. Provinzials niemand in den
Orden aufgenommen werden dürfe - eine klassische Regelung, die sich auch bei
anderen Orden in dieser Weise findet.123 Als Apostaten verurteilte Fremdlinge
waren seit 1324 von der Aufnahme grundsätzlich ausgeschlossen.124
Auskünfte geben die Statuten auch über die Gebete bei Tisch oder die Teilnah-
me und Anwesenheit der Laienbrüder bei ausgewählten Festen. Einige wenige
betreffen den Chordienst als solchen.125 Aus dem Jahr 1256 stammt unterdes-
sen ein erster Messkalender, der in Bernardfagne bei Lüttich erstellt worden war,
um - wie es heißt - die im Orden anzutreffende obscuritas der Liturgie zu be-
seitigen. Kaspar Elm hat darauf hingewiesen, dass dieser Messkalender in Anlage
und Struktur zu weiten Teilen demjenigen der Dominikaner entsprochen hatte.
Zentrales Fest {totum duplex) war der Gedenktag des heiligen Wilhelm am 10.
Februar. Bernhard von Clairvaux billigte man lediglich simplex zu. Doch auch
dies sollte sich bald ändern, denn spätestens am Ende des 13. Jahrhunderts hat-
te die Liturgie eine komplette Transformation erfahren. Nun entsprachen sämt-
liche wilhelmitischen Missales, Psalterien, Breviare und Lektionare dem traditio-
nell benediktinisch-zisterziensischem Gliederungsmodell.126 Der Todestag Bern-
hards (20. August) wird nun als Fest mit zwölf Lektionen gleichermaßen hoch
gewichtet wie dasjenige des Ordenspatrons Wilhelm, dessen Translationsfest das
Statut (J.8) von 1305 regelt. Sein Kollektengebet verbindet es dabei mit den Mari-
enmessen.
Zur theologischen Ausbildung des Ordensnachwuchses der Wilhelmiten ist in-
des kaum etwas bekannt. „Lehrende Magister oder gar Vertreter einer eigenen
Ordensdoktrin“ lassen sich aus den wenig überlieferten Quellen nicht herausfil-
tern.127 Auch die Statuten schweigen nahezu völlig hierzu. Zwei Einträge aus dem
Jahr 1337 und 1340 aber belegen eine Ordensschule in Paris. Ein Beschluss des
Provinzkapitels von Walincourt von 1337 regelt indes ihren Unterhalt. Einen Gul-
den habe jeder Prior der Provinz jährlich zu zahlen, ein Terminierer sechs Silber-
groschen (grossos), sein Gefährte drei Groschen. Der Provinzial sollte das Geld

123 Siehe u. a. das Statut B.7, unten, S. 208.
124 Siehe das Statut E.l, unten, S. 266.
125 Siehe beispielsweise die Statuten A.65-69, H.7-8,1.19, J.7-8 oder K.4—5, unten, S. 148, 318, 330,
352-352 und 356.
126 Dazu konkret mit Nachweisen Elm, Zisterzienser und Wilhelmiten, S. 25-27.
127 Vgl. u. a. Elm, Einleitung, S. 1092.
 
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