Das urkirchliche Ideal der Franziskaner als Maßstab der Kirche I 69
et secuti sumus te eine entscheidende Rolle gespielt89. Johannes XXII. hatte hie-
rauf mit beachtlicher biblischer Gelehrsamkeit reagiert: Die Wendung relictis
omnibus secuti sunt illum finde sich auch in Lk 5,11; im biblischen Narrativ aber
folge in Mt 8,14 die Rede von der domus Petri und in Mt 26,51f die Rede von
einem gladius im Besitz des Petrus90. Diese Einwände beantwortete Ockham
damit, dass es sich beim Haus um das ehemalige Haus des Petrus handele91, bei
dem Schwert aber um ein solches, das Petrus nicht zwingend quoad proprieta-
tem zugesprochen wurde, sondern quantum ad consuetudinem vel actum
portandP1. Allein schon der Zusammenhang mit der Erzählung vom reichen
Jüngling93 mache hingegen deutlich, dass Petrus und die anderen Apostel omnia
quoad dominium seu proprietatem, et hoc tarn in speciah quam etiam in comm-
muni zurückgelassen hätten94, dass also ihre Lebensweise eben jener vollständi-
gen Armut folgte, um welche nun zwischen Franziskanern und Papst gerungen
wurde. Wie ernst es auch Letzterem war, zeigt sich daran, dass er nicht zurück-
schrak, auch die heikle Frage des loculus anzusprechen, des Geldbeutels, über
den bekanntlich nach Joh 13,28 Judas verfügte95. Johannes XXII. versuchte
dieses Problem zwar durch einen Verweis auf Augustins Johanneskommentar
zu entschärfen, wonach der loculus eigentlich der loculus Jesu gewesen sei96,
doch hatte Ockham mit diesem Argument leichtes Spiel, indem er unterstrich,
hinsichtlich der proprietas könne Judas einen Geldbeutel besessen haben. Jesus
aber habe einen solchen allenfalls zu einer bestimmten dispensatio absque prop-
rietate et dominio besessen97.
89 Michael von Cesena, Appellatio. Forma minor (Bullarium Franciscanum 5 [wie Anm. 4],
S. 412 Anm.).
90 Johannes XXII., Quia vir reprobus (Bullarium Franciscanum 5 ([wie Anm. 4], Sp. 416).
91 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 563-565 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 420).
92 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 591f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 421).
93 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 81-96 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 408f.).
94 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 69f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S.421).
95 Vgl. hierzu Shogimen, Ockham and Political Discourse (wie Anm. 2), S. 45; Brunner, John
XXII (wie Anm. 42), S. 216.
96 Johannes XXII., Quia vir reprobus (Bullarium Franciscanum 5 [wie Anm. 4], Sp. 442); vgl.
Augustinus, In loann. Tr. 62,5: Habebat ergo et Dominus loculos, et afidelibus oblate conser-
vans, et suorum necessitatibus et aliis indigentibus tribuebat. Func primum ecclesiasticae
pecuniae forma est instituta (CChr.SL 36, S. 485, 5-8).
97 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 95, 357-368 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 715).
et secuti sumus te eine entscheidende Rolle gespielt89. Johannes XXII. hatte hie-
rauf mit beachtlicher biblischer Gelehrsamkeit reagiert: Die Wendung relictis
omnibus secuti sunt illum finde sich auch in Lk 5,11; im biblischen Narrativ aber
folge in Mt 8,14 die Rede von der domus Petri und in Mt 26,51f die Rede von
einem gladius im Besitz des Petrus90. Diese Einwände beantwortete Ockham
damit, dass es sich beim Haus um das ehemalige Haus des Petrus handele91, bei
dem Schwert aber um ein solches, das Petrus nicht zwingend quoad proprieta-
tem zugesprochen wurde, sondern quantum ad consuetudinem vel actum
portandP1. Allein schon der Zusammenhang mit der Erzählung vom reichen
Jüngling93 mache hingegen deutlich, dass Petrus und die anderen Apostel omnia
quoad dominium seu proprietatem, et hoc tarn in speciah quam etiam in comm-
muni zurückgelassen hätten94, dass also ihre Lebensweise eben jener vollständi-
gen Armut folgte, um welche nun zwischen Franziskanern und Papst gerungen
wurde. Wie ernst es auch Letzterem war, zeigt sich daran, dass er nicht zurück-
schrak, auch die heikle Frage des loculus anzusprechen, des Geldbeutels, über
den bekanntlich nach Joh 13,28 Judas verfügte95. Johannes XXII. versuchte
dieses Problem zwar durch einen Verweis auf Augustins Johanneskommentar
zu entschärfen, wonach der loculus eigentlich der loculus Jesu gewesen sei96,
doch hatte Ockham mit diesem Argument leichtes Spiel, indem er unterstrich,
hinsichtlich der proprietas könne Judas einen Geldbeutel besessen haben. Jesus
aber habe einen solchen allenfalls zu einer bestimmten dispensatio absque prop-
rietate et dominio besessen97.
89 Michael von Cesena, Appellatio. Forma minor (Bullarium Franciscanum 5 [wie Anm. 4],
S. 412 Anm.).
90 Johannes XXII., Quia vir reprobus (Bullarium Franciscanum 5 ([wie Anm. 4], Sp. 416).
91 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 563-565 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 420).
92 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 591f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 421).
93 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 81-96 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 408f.).
94 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 11, 69f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S.421).
95 Vgl. hierzu Shogimen, Ockham and Political Discourse (wie Anm. 2), S. 45; Brunner, John
XXII (wie Anm. 42), S. 216.
96 Johannes XXII., Quia vir reprobus (Bullarium Franciscanum 5 [wie Anm. 4], Sp. 442); vgl.
Augustinus, In loann. Tr. 62,5: Habebat ergo et Dominus loculos, et afidelibus oblate conser-
vans, et suorum necessitatibus et aliis indigentibus tribuebat. Func primum ecclesiasticae
pecuniae forma est instituta (CChr.SL 36, S. 485, 5-8).
97 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 95, 357-368 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 715).