84 I Jörg Sonntag
Approbation ohne königlich-schwedische Unterstützung kaum an Fahrt auf-
genommen. Schon die anianische Reform - um das bekannteste Beispiel nicht
zu vergessen - und der Push der Benediktsregel zuungunsten anderer Regeln
(etwa des Columban oder des Fructuosus (f 259)) im frühen 9. Jahrhundert ist
ohne den kaiserlichen Reformwillen nicht in diesem Maße denkbar, und auch
die großen Reformkongregationen im 15. Jahrhundert fanden weltliche Unter-
stützer in ihrer Rückbesinnung auf die Regel und den entsprechenden Visita-
tionsvorhaben.15
3. Monastische Bewertungen von Wirkmacht
Nochmals komplexer gestaltet sich die Suche nach ,Wirkmachtc, wenn man sich
fragt, wer denn überhaupt über sie entscheidet, denn auf der Objektebene der
mittelalterlichen Protagonisten mochte sie völlig anders bewertet werden als auf
der Beobachtungsebene des Historikers, der sie bisweilen nur anhand der fakti-
schen Wirkung empirisch einfangen kann.
Die letztere Perspektive scheint dabei - auf den ersten Blick - relativ rasch
erschöpft: Dass Regeln vor allem innerhalb der vita religiosa, aber auch, wie
etwa die anianische Reform zeigt, außerhalb Autorität besaßen, ist klar. Dass sie
darum im religiösen Lebensbereich über Wirkmacht verfügten, wirkten und
Gemeinschaften institutionell auf Dauer stellten, ist ebenso hinlänglich be-
kannt: Jener religiöse Eiferer und Outsider Stephan von Obazine führte seine
Anhänger den Zisterziensern und ihrer Regel zu, weil er genau dies erkannte
und auch so formulierte.16 Die Tage der Menschen seien kurz und die mensch-
liche Belehrung verliere mit dem Tod des Belehrenden ihre Wirkung.17 Jener
Stephan von Muret ließ sich wohl von der Basilius-Regel inspirieren, die er bei
15 Vgl. u. a. Meta Niederkorn-Bruck, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (Mittei-
lungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 30), Wien/
München 1994, S. 31, 191 u. 197.
16 Vie de saint Etienne d’Obazine, ed. Michel Aubin (Publications de l’Institut d’Etudes du
massif central 6), Clermont-Ferrand 1970, S. 96: Interea fratres Obazine nullis adhuc scriptis
legibus tenebantur, sed instituta magistri venerabilis pro lege habebant, que tarn districta et
ardua erant ut cujuslibet regule asperitas eis in discipline rigore addere nihilpossef, vgl. dazu
Melville, Regeln (wie Anm. 3), S. 6 u. 13.
17 Ebd., S. 96: Quia vero breves dies hominis sunt et tamdiu humana magisteria vigent quamdiu
preceptor vixerit autpresens fuerit [...]; vgl. dazu vor allem Cristina Andenna, Dall’essempio
alla santitä. Stefano di Thiers e Stefano di Obazine. Modelli di vita o fondatori di ordim?, in:
Gert MELViLLE/Markus Schürer (Hgg.), Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im
mittelalterlichen Religiosentum (Vita regularis 16), Münster 2002, S. 216.
Approbation ohne königlich-schwedische Unterstützung kaum an Fahrt auf-
genommen. Schon die anianische Reform - um das bekannteste Beispiel nicht
zu vergessen - und der Push der Benediktsregel zuungunsten anderer Regeln
(etwa des Columban oder des Fructuosus (f 259)) im frühen 9. Jahrhundert ist
ohne den kaiserlichen Reformwillen nicht in diesem Maße denkbar, und auch
die großen Reformkongregationen im 15. Jahrhundert fanden weltliche Unter-
stützer in ihrer Rückbesinnung auf die Regel und den entsprechenden Visita-
tionsvorhaben.15
3. Monastische Bewertungen von Wirkmacht
Nochmals komplexer gestaltet sich die Suche nach ,Wirkmachtc, wenn man sich
fragt, wer denn überhaupt über sie entscheidet, denn auf der Objektebene der
mittelalterlichen Protagonisten mochte sie völlig anders bewertet werden als auf
der Beobachtungsebene des Historikers, der sie bisweilen nur anhand der fakti-
schen Wirkung empirisch einfangen kann.
Die letztere Perspektive scheint dabei - auf den ersten Blick - relativ rasch
erschöpft: Dass Regeln vor allem innerhalb der vita religiosa, aber auch, wie
etwa die anianische Reform zeigt, außerhalb Autorität besaßen, ist klar. Dass sie
darum im religiösen Lebensbereich über Wirkmacht verfügten, wirkten und
Gemeinschaften institutionell auf Dauer stellten, ist ebenso hinlänglich be-
kannt: Jener religiöse Eiferer und Outsider Stephan von Obazine führte seine
Anhänger den Zisterziensern und ihrer Regel zu, weil er genau dies erkannte
und auch so formulierte.16 Die Tage der Menschen seien kurz und die mensch-
liche Belehrung verliere mit dem Tod des Belehrenden ihre Wirkung.17 Jener
Stephan von Muret ließ sich wohl von der Basilius-Regel inspirieren, die er bei
15 Vgl. u. a. Meta Niederkorn-Bruck, Die Melker Reform im Spiegel der Visitationen (Mittei-
lungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 30), Wien/
München 1994, S. 31, 191 u. 197.
16 Vie de saint Etienne d’Obazine, ed. Michel Aubin (Publications de l’Institut d’Etudes du
massif central 6), Clermont-Ferrand 1970, S. 96: Interea fratres Obazine nullis adhuc scriptis
legibus tenebantur, sed instituta magistri venerabilis pro lege habebant, que tarn districta et
ardua erant ut cujuslibet regule asperitas eis in discipline rigore addere nihilpossef, vgl. dazu
Melville, Regeln (wie Anm. 3), S. 6 u. 13.
17 Ebd., S. 96: Quia vero breves dies hominis sunt et tamdiu humana magisteria vigent quamdiu
preceptor vixerit autpresens fuerit [...]; vgl. dazu vor allem Cristina Andenna, Dall’essempio
alla santitä. Stefano di Thiers e Stefano di Obazine. Modelli di vita o fondatori di ordim?, in:
Gert MELViLLE/Markus Schürer (Hgg.), Das Eigene und das Ganze. Zum Individuellen im
mittelalterlichen Religiosentum (Vita regularis 16), Münster 2002, S. 216.