248 I Henryk Anzulewicz
Wissenschaften, als Wissenschafts- und Naturphilosoph von Bedeutung für
,modernes Denken£ angesehen.7 Um ein derart anspruchsvolles wissenschaft-
liches Programm entwerfen, in Angriff nehmen und verwirklichen zu können,
bedurfte es einer existenziellen und institutionellen Absicherung, die er vom
Predigerorden erhalten konnte. Die oben erwähnten Widerstände innerhalb des
Ordens, die es bei der Umsetzung seines Programms zu überwinden galt, haben
ihn bei seinem Vorhaben, wie es scheint, vielmehr gestärkt und seine Anstren-
gungen eher gefördert als behindert. Letztlich lag es aber entscheidend nicht so
sehr an den äußeren Bedingungen seines Wirkens innerhalb des Predigerordens
als an seiner intellektuellen Kraft, Willensstärke, Neugier, Offenheit und Vi-
sion, die ihn dazu befähigten, sein innovatives wissenschaftliches Programm zu
entwickeln, formal und inhaltlich zu gestalten und zu verwirklichen.
Die Bedingungen und Erfahrungen eines Ordenslebens verlangten von Al-
bert jedoch einen modus vivendi zu finden, der ihm einerseits eine individuelle
Gestaltung seines wissenschaftlichen Programms erlaubte und andererseits den
Zusammenhalt einer gemeinschaftlichen, streng geregelten Lebensform nicht
gefährdete. Um möglichen Konflikten vorzubeugen und bestehende Spannun-
gen abzubauen, wartete er in seinen Schriften mit Rechtfertigungen auf, mit de-
nen er seine Tätigkeit als den Dienst an der Wissenschaft um ihrer selbst willen
und damit auch an der Theologie nicht nur als eine ihm zukommende Aufgabe
erklärte, sondern als den eigentlichen Lebensvollzug des Menschen als Mensch
deutete. Bei seinen persönlichen Stellungnahmen zur Kritik, mit der er konfron-
tiert wurde oder mit der er rechnete, bleibt jedoch stets zu bedenken, inwiefern
sie den Realitätsbezug wahrten und nicht ausschließlich als rhetorische Topoi
mit dem Ziel eingesetzt wurden, der zu erwartenden Kritik zuvorzukommen
und sie im Voraus zu entschärfen.
Um Alberts Persönlichkeit an einigen Stationen seines Lebens in der klöster-
lichen Gemeinschaft zwischen Natur, Macht und Wirkung in einigen Strichen
charakterisieren zu können, lassen wir im Folgenden einige der markantesten Epi-
soden seines Gelehrtenlebens und Wirkens sowie seiner Erfahrungen als Domini-
7 Vgl. William A. Wallace, Albertus Magnus, Saint, in: Charles Coulston Gillispie
(Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. I, New York 1970, 99-103; Ders., Albertus
Magnus on Suppositional Necessity in the Natural Science, in: James A. Weisheipl (Hg.),
Albertus Magnus and the Science. Commemorative Essays 1980 (Studies and Texts 49), To-
ronto 1980, S. 128; Ders., The Scientific Methodology of St. Albert the Great, in: Gerbert
MEYER/Albert ZiMMERMANN/Paul-Bernd Lüttringhaus (Hgg.), Albertus Magnus Doc-
tor universalis 1280/1980 (wie Anm. 4), S. 385-407; Ingrid Craemer-Ruegenberg, Die
Seele als Form in einer Hierarchie von Formen, in: Gerbert MEYER/Albert Zimmermann/
Paul-Bernd Lüttringhaus (Hgg.), Albertus Magnus Doctor universalis 1280/1980 (wie
Anm. 4), S. 85-88.
Wissenschaften, als Wissenschafts- und Naturphilosoph von Bedeutung für
,modernes Denken£ angesehen.7 Um ein derart anspruchsvolles wissenschaft-
liches Programm entwerfen, in Angriff nehmen und verwirklichen zu können,
bedurfte es einer existenziellen und institutionellen Absicherung, die er vom
Predigerorden erhalten konnte. Die oben erwähnten Widerstände innerhalb des
Ordens, die es bei der Umsetzung seines Programms zu überwinden galt, haben
ihn bei seinem Vorhaben, wie es scheint, vielmehr gestärkt und seine Anstren-
gungen eher gefördert als behindert. Letztlich lag es aber entscheidend nicht so
sehr an den äußeren Bedingungen seines Wirkens innerhalb des Predigerordens
als an seiner intellektuellen Kraft, Willensstärke, Neugier, Offenheit und Vi-
sion, die ihn dazu befähigten, sein innovatives wissenschaftliches Programm zu
entwickeln, formal und inhaltlich zu gestalten und zu verwirklichen.
Die Bedingungen und Erfahrungen eines Ordenslebens verlangten von Al-
bert jedoch einen modus vivendi zu finden, der ihm einerseits eine individuelle
Gestaltung seines wissenschaftlichen Programms erlaubte und andererseits den
Zusammenhalt einer gemeinschaftlichen, streng geregelten Lebensform nicht
gefährdete. Um möglichen Konflikten vorzubeugen und bestehende Spannun-
gen abzubauen, wartete er in seinen Schriften mit Rechtfertigungen auf, mit de-
nen er seine Tätigkeit als den Dienst an der Wissenschaft um ihrer selbst willen
und damit auch an der Theologie nicht nur als eine ihm zukommende Aufgabe
erklärte, sondern als den eigentlichen Lebensvollzug des Menschen als Mensch
deutete. Bei seinen persönlichen Stellungnahmen zur Kritik, mit der er konfron-
tiert wurde oder mit der er rechnete, bleibt jedoch stets zu bedenken, inwiefern
sie den Realitätsbezug wahrten und nicht ausschließlich als rhetorische Topoi
mit dem Ziel eingesetzt wurden, der zu erwartenden Kritik zuvorzukommen
und sie im Voraus zu entschärfen.
Um Alberts Persönlichkeit an einigen Stationen seines Lebens in der klöster-
lichen Gemeinschaft zwischen Natur, Macht und Wirkung in einigen Strichen
charakterisieren zu können, lassen wir im Folgenden einige der markantesten Epi-
soden seines Gelehrtenlebens und Wirkens sowie seiner Erfahrungen als Domini-
7 Vgl. William A. Wallace, Albertus Magnus, Saint, in: Charles Coulston Gillispie
(Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. I, New York 1970, 99-103; Ders., Albertus
Magnus on Suppositional Necessity in the Natural Science, in: James A. Weisheipl (Hg.),
Albertus Magnus and the Science. Commemorative Essays 1980 (Studies and Texts 49), To-
ronto 1980, S. 128; Ders., The Scientific Methodology of St. Albert the Great, in: Gerbert
MEYER/Albert ZiMMERMANN/Paul-Bernd Lüttringhaus (Hgg.), Albertus Magnus Doc-
tor universalis 1280/1980 (wie Anm. 4), S. 385-407; Ingrid Craemer-Ruegenberg, Die
Seele als Form in einer Hierarchie von Formen, in: Gerbert MEYER/Albert Zimmermann/
Paul-Bernd Lüttringhaus (Hgg.), Albertus Magnus Doctor universalis 1280/1980 (wie
Anm. 4), S. 85-88.