Metadaten

Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0260
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
256 I Henryk Anzulewicz

„Dieses Buch mit anderen naturkundlichen und moralphilosophischen [Büchern]
erklärte ich zum Nutzen der Studierenden und ich bitte alle, die es lesen, dass sie
darauf achten, dass in diesem Buch nur von den willentlichen Handlungen der
Menschen gehandelt wird, die, wie Aristoteles im III. Buch der [Nikomachischen]
Ethik sagt, «zu keiner gemeinsamen Regel jemals zusammengefasst werden kön-
nen, so wie auch nicht die lesbische Bauart». Und er geht meistens den Staatsver-
fassungen der Bewohner des Orients und der Ägypter nach, bei denen der Ge-
schlechtsakt und die Lebensweise immer höchst unrein waren, so wie sie es auch
heute sind. Und weder Aristoteles sagt das von sich aus, sondern er berichtet, wie
solche Völker ihre Staatsverfassungen ordneten, noch ich sagte etwas [von mir aus]
in diesem Buch außer der Erklärung dessen, was [von Aristoteles] gesagt wurde,
und außer der Hinzufügung von Gründen und Ursachen hierfür - so nämlich, wie
ich in allen naturphilosophischen Büchern niemals etwas von mir aus sagte, son-
dern die Meinungen der Peripatetiker so getreu wie ich nur konnte, erklärte. Und
das sage ich wegen mancher Faulpelze, die ihrer eigenen Trägheit zum Trost in den
Schriften nur das suchen, was sie wiederlegen könnten. Und weil solche [Men-
schen] in ihrer Trägheit erstarrt sind, versuchen sie, um nicht allein in ihrer Untä-
tigkeit wahrgenommen zu werden, einen Makel den [von ihnen] Erwählten anzu-
heften. Solche [Menschen] haben Sokrates umgebracht, Platon in die Flucht aus
Athen in die Akademie geschlagen, gegen Aristoteles intrigiert und ihn auch ins
Exil getrieben, wie er selbst sagte: «In Athen hat niemals Birne auf Birne gefehlt,
d. h. Quitte auf Quitte. Ich bin nicht einverstanden, dass die Athener sich zum
zweiten Mal an der Philosophie versündigen».24 Soviel von solchen [Menschen].
Sie sind im Studienbetrieb das, was die Leber im Körper ist. In jedem Körper gibt
es aber die Gallenflüssigkeit, die durch das Verdünsten den ganzen Körper bitter
macht; so gibt es auch im Studium immer manche höchst verbitterte und gallige
Männer, die alle anderen mit Bitterkeit erfüllen und sie nicht in wohltuender
Gemeinschaft die Wahrheit suchen lassen.“

24 Aelianus, Varia historia III 36, ed. Mervin R. Dilts, Leipzig 1974, S. 57f. (griech. Original-
text); vgl. CI. Aeliani Sophistae Varia Historia [...] Interpretatione Latina Justi Vulteji [...]
curante Abrahamo Gronovio, Lugduni Batavorum et al. 1731, S. 292f.: Aristoteles quum ju-
dicii metu Athenas rehquisset, interroganti ipsum, quahs esset civitas Atheniensium? respon-
dit, Pulcherrima: sed in ea, Utpyra quaeque pyris, sic ficus ficubus ipsae succedunt‘, Sycophan-
tas intelligens. Et interroganti, cur reliquisset Athenas? respondit: nolle se commitere, ut
Athenienses bis peccarent in philosophiam: id quod Socrati accidit, innuens, et suum ipsius
periculum. Ferner: Des Claudius Aelianus vermischte Erzählungen. Aus dem Griechischen
übersetzt und mit Anmerkungen erläutert von J. H. F. Meineke, Quedlinburg 1787, S. 171-
173: Als Aristoteles aus Furcht vor dem Gerichte sich stellen zu müßen, Athen verlaßen hatte:
so gab er Jemand, der ihnfrug: was Athen für eine Stadt sei? folgende Antwort: Athen ist eine
sehr prächtige Stadt; ,Nur läßt sie Bim auf Bim, und Feig auf Feig reifen‘, und zielte mit die-
sen Worten auf die Sykophanten. Einem anderen, der ihn frug: warum er Athen verlaßen
hatte? gab er zur Antwort: er hätte nicht gewollt, daß die Athenienser sich zum zweytenmale
an der Philosophie versündigten, womit er auf das Schicksal des Sokrates, und auf die eigene
Gefahr zielte, worin er sich selbst befunden hatte. Ottfried Höffe, Aristoteles, München
1999, S. 21.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften