Metadaten

Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0261
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Albert der Große zwischen Natur, Macht und Wirkung I 257

Alberts Wertschätzung der Philosophie und sein am Kölner Studium generale
der Dominikaner begonnenes und dort größtenteils verwirklichtes philosophi-
sches Programm blieb offenbar nicht ohne Folgen für die Ausbildungsordnung
bei den Dominikanern. Die erfolgreiche Umsetzung des naturphilosophischen
Teils von diesem Programm, das mit der Fertigstellung des monumentalen Wer-
kes „Über die Tiere“ (De animalibus') und mit den nachfolgenden Abhandlun-
gen über die Tiere (Quaestiones super De animalibus} in Köln abgeschlossen
wurde, dürfte als einer der Auslöser der Studienreform und einer der Gründe
für die Neuordnung des Bildungswesens im Predigerorden im Jahre 1259 ge-
wertet werden. Man muss außerdem berücksichtigen, dass bevor Albert sein
naturphilosophisches Programm am Studium generale begann, er die Endre-
daktion seines Sentenzenkommentars (Buch IV) im Jahre 1249 fertigstellte, alle
Werke des Pseudo-Dionysius Areopagita bis 1250 kommentierte und seine Vor-
lesungen über die Nikomachische Ethik des Aristoteles bis 1252 hielt.23
Die Organisation der Lehre am Kölner Studium generale der Dominikaner,
dessen Gründungsregens Albert war, kann als durchweg innovativ und auch im
Vergleich mit der Studienordnung der Pariser Universität als epochemachend
bezeichnet werden. Sie brach faktisch mit der bisherigen Ordenssatzung hin-
sichtlich des Lehrprogramms und sprengte auch die Lehrordnung des bis 1248
einzigen Studium generale der Dominikaner im Paris, das der Universität inkor-
poriert war.25 26 Denn weder waren das corpus Dionysiacum im universitären
curriculum verankert, noch die Lektüre der libri naturales und der Metaphysik
des Aristoteles nach ihren wiederholten Verboten in Paris vor 1254 erlaubt. Be-
vor Albert mit der Auslegung der naturphilosophischen Schriften des griechi-
schen Philosophen begann, las er bereits Anfang der 1250er Jahre über dessen
Nikomachische Ethik. Die Nachschrift seiner Vorlesungen bildet den ersten la-
teinischen Kommentar aller zehn Bücher der moralphilosophischen Schrift des
Aristoteles. Beim genaueren Hinsehen auf sein Frühwerk wird man feststellen,
dass er Teile der großen naturphilosophischen Werke des Aristoteles - Physica,
25 Von Alberts Kölner Kommentaren zum corpus Dionysiacum und von den £tAF-Vorlesun-
gen hat sein Schüler Thomas von Aquin Nachschriften angefertigt. Die erhaltenen und in der
Biblioteca Nazionale von Neapel aufbewahrten Autographa des Thomas von Aquin von Al-
berts Kommentaren zu Pseudo-Dionysius bilden den Ursprung ihrer gesamten handschrift-
lichen Überlieferung. Über Schicksal und Verbleib des thomanischen Autographs von Al-
berts Kölner Ethikvorlesungen ist heute nichts bekannt; vgl. Wilhelm Kübel, Prolegomena,
in: Albertus Magnus, Super Ethica. Commentum et quaestiones, I-V, ed. Wilhelm Kübel, in:
Sancti doctoris Ecclesiae Alberti Magni [...] Opera omnia [...] (Editio Coloniensis XIV/1),
Münster 1968-1972, S. V-VI.
26 Vgl. William A. Hinnebusch, The History of the Dominican Order. Origins and Growth
to 1500, 2 Bde., Staten Island, N. Y. 1966-1973, Bd. 1, S. 58-59.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften