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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0037
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Doctrina privata und doctrina publica
Überlegungen zu den mittelalterlichen Frauenklöstern
als Wissens- und Bildungsraum
Eva Schlotheuber

Wenn es um die Bildung geistlicher Frauen in der Vormoderne geht, fallen in der
Regel die Namen berühmter Nonnen, Hrotsvit von Gandersheim (f 973), Hilde-
gard von Bingen (f 1179) und vielleicht noch die Mystikerin Mechthild von Magde-
burg (f 1282). Diese Argumentationsrichtung hat schon eine lange Tradition, die
hochgebildeten Frauen galten schon im 15. Jahrhundert als berühmte Ausnahmen.
Rara avis in Saxonia, „ein seltener Vogel in Sachsen“, ist Hrotsvit von Ganders-
heim schon für den Mönch und Humanisten Heinrich Bodo um 1530, als man sich
allenthalben auf die Suche nach gelehrten Frauen machte, die man der Sammlung
großer Männer an die Seite stellen könnte.1 Im Schatten berühmter Vorbilder ge-
hörte der allgemeine Bildungsstandard religiöser Frauen lange zu den kaum beach-
teten Themen der Mittelalterforschung. Während die gelehrte Bildung der Mönche
und Bettelordensbrüder stets im Fokus stand, nicht zuletzt weil die Ordensmit-
glieder sich dafür verantwortlich fühlten und sie in der Tradition gelehrter univer-
sitärer Bildung gesehen wurden, wissen wir über die konkrete Ausbildung der
Nonnen, den allgemeinen Bildungshorizont und ihre Partizipation am religiös-
literarischen Leben der Zeit trotz zahlreicher Forschungen in den letzten Jahren
nach wie vor nur wenig.2 Das Wissen um diese Grundbedingungen ist aber die
Voraussetzung, wenn es darum geht, die Kompetenzzuweisung und gesellschaftli-
che Wirkmacht geistlicher Frauen zu würdigen und in den größeren Kontext ein-
ordnen zu können. Eine intensivere Beschäftigung mit der Bildung in den Frauen-
1 Henricus Bodo, Chronica cenobii Clusini (1523-1532), Autograph des Verfassers HAB Wol-
fenbüttel, Codex 19.13 Ang. 4; vgl. Katharina Margit Wilson (Hg.), Hrotsvith of Ganders-
heim, rara avis in Saxonia? A collection of essays (Medieval and Renaissance monograph se-
ries 7), Ann Arbor, Michigan 1987; Gabriela Signori, Berühmte Frauen oder gelehrte
Jungfrauen? Frühhumanistische Frauenapologien zwischen Kloster und Welt, in: Reinhard
VoGELSANG/Johannes Altenberend (Hgg.), Kloster, Stadt, Region. Festschrift für Hein-
rich Rüthing, Bielefeld 2002, S. 27-44.
2 Zur hochmittelalterlichen Klosterreform vgl. Julie Hotchin, Women’s Reading and Monas-
tic Reform in Twelfth-Century Germany: The Library of the Nuns of Lippoldsberg, in: Ali-
son Isdale Beach (Hg.), Manuscripts and Monastic Culture: Reform and Renewal in
 
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