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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0036
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32 I Mirko Breitenstein

Gewissens Teil eines ganz realen Strafarsenals seien.67 In dieser Sichtweise steht
der Katholik Drexel dem eingangs zitierten Lutheraner Schottelius näher als
ihm lieb gewesen sein dürfte. Für Drexels Ordensbruder, den französischen
Hofprediger Louis Bourdaloue (J 1704), war das böse Gewissen „eine Art von
Hölle“;68 Bourdaloues Predigt selbst war ihrerseits Bezugspunkt zahlreicher
sinngemäßer Stellungnahmen.69 Zahlreiche weitere Texte wären zu nennen.70
Überblickt man diese Positionen, die hier nur stellvertretend für zahlreiche
weitere stehen können, entsteht durchaus der Eindruck, dass - mit Kittsteiner
gesprochen - „hervorftrat], was jahrhundertelang als Alternative in den toten
Winkeln des Geschichtsverlaufs verharrte“.71 Zwar gelang es noch nicht, die
Hölle als Jenseitsort ad acta zu legen,72 wohl aber kam es dazu, dass dieser Re-
alort des Schreckens nicht mehr gedacht wurde, ohne auch zugleich sein inner-
seelisches Komplementär mit zu bedenken. Gerade weil der Mensch im Dies-
seits von seinem Gewissen gequält wurde, hatte er eine Vorstellung von den
Qualen des Jenseits. Und weil dem Menschen zugleich hinreichend Berichte
über die jenseitigen Qualen bekannt waren, in denen betonte wurde, wie unge-
nügend die Wiedergabe dieser Qualen angesichts der tatsächlichen Schrecken
war, konnte das Gewissen ihn im Diesseits umso stärker schmerzen - weil er ja
nun ahnte, was ihm dereinst drohte.
PD Dr. Mirko Breitenstein
Technische Universität Dresden
Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte (FOVOG)
01062 Dresden

67 Jeremias Drexel, Infernus damnatorum carcer et Rogus 2Eternitatis, pars IP, München:
Cornelius Leysser 1631, cap. 7, 165-189.
68 “[...] une mauvaise conscience [...], c’est une espece d’enfer.“ Louis Bourdaloue, Ouvres
completes de Bourdaloue, Bd. 1: Avent, Sermon pour le troisieme dimanche de l’avent, Paris
1833, S. 176; zum Zusammenhang vgl. meine Studie Vier Arten des Gewissens (wie Anm. 10),
S. 337-341.
69 Vgl. Breitenstein, Vier Arten des Gewissens (wie Anm. 10), s.v.; für weitere Beispiele ins-
besondere aus der englischsprachigen Tradition vgl. Creasy, The Shifting Landscape (wie
Anm. 3); Patrides, Renaissance and Modern Views (wie Anm. 3) und Susanne Rupp, „From
Grace to Glory.“ Himmelsvorstellungen in der englischen Theologie und Literatur des
17. Jahrhunderts (Anglistische Forschungen 297), Heidelberg 2001, S. 116-118.
70 Für die englische Tradition vgl. Annegret Pago, „Behold, He comes with Clouds.“ Untersu-
chungen zur eschatologischen Dichtung in der englischen Literaturgeschichte des 17. und
18. Jahrhunderts (Münsteraner Monographien zur englischen Literatur 9), Frankfurt am
Main 1992, S. 173-182.
71 Kittsteiner, Die Entstehung (wie Anm. 63), S. 133.
72 Hierzu Daniel Pickering Walker, The Decline of Hell. Seventeenth-Century Discussions
of Eternal Torment, London 1964.
 
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