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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0079
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II. Das Werk

voranscliritten, so habe sich auch Jesus stets im Kreis seiner Schüler aufgehalten und
ihnen Frieden gebracht.170
Da in den meisten Kapiteln gezielt eine charakterliche Eigenschaft der Bienen
oder ein gemeinschaftlicher Mechanismus zur Konfliktregelung behandelt wird,
muss die hinter dem „Bienenbuch“ stehende Gemeinschaftsvorstellung stückweise
rekonstruiert werden.171 Nur in wenigen und zumeist sehr knappen Abschnitten the-
matisierte Thomas nämlich auf grundsätzlichere Weise, wie er sich die Struktur einer
weltlichen oder geistlichen Gemeinschaft und ihre internen Verantwortlichkeiten
vor st eilte. Zu ihnen gehört der kurze Prolog zu Buch II:
„Die gesamte kirchliche Ordnung ist durch eine dreifache Teilung in Bischöfe, Pries-
ter und Kleriker geordnet. Und all diese haben den römischen Papst als einzigen
Herrn. So verhält es sich auch bei den weltlichen Gläubigen: Die auf der ganzen Welt
verteilte Kirche versammelt sich unter dem römischen Kaiser in Fürsten, Rittern und
der gemeinen Menge.“172
In dieser Passage wird die Hierarchie der kirchlichen Welt als Analogon zu derjeni-
gen der säkularen Welt verstanden (s. dazu auch die Abbildungen in der französi-
schen Prachthandschrift des „Bienenbuchs“ von 1372, Abb. 4-5.).173 Der Begriff des
ordo ist dabei in doppeltem Sinn zu verstehen: Während er einerseits an die Bedeu-
tung der klösterlichen oder religiösen Gemeinschaft erinnert, impliziert er anderer-
seits ganz grundsätzlich eine Form einer hierarchisch organisierten Gemeinschaft
und ihrer Untergruppen. Es geht im „Bienenbuch“ also nicht, wie verschiedentlich
konstatiert, ausschließlich um eine klösterliche communitas, sondern viel basaler um
Traditionen und Normen des sozialen Miteinanders.174

170 Thom. Cantimpr. BUA 1,10,1: Acephalum, hoc est sine capite, conventum esse non decet. Stellt Ihe-
sus in medio discipulorum suorum et ait eis: Pax vobis. Idem siprelatus faciat, pax revera sequitur
in subiectis.
171 Für eine Übersicht über die den Bienen zugeschriebenen Eigenschaften in jedem Kapitel s. Pollini,
Les proprietes, S. 279.
172 Thom. Cantimpr. BUA II, prolog: Omnis ecclesiasticus ordo sub divisione triplici in episcopis,
in presbiteris et clericis ordinatur, et hii omnes unum principem papam Romanum habent. Sic et
in fidelibus laicis, ecclesia toto orbe diffusa sub imperatore Romano in principibus, militibus et
plebeia multitudine congregatur.
173 S. zur Handschrift Kopp, König und die Bücher, S. 377, La librairie de Charles V, Nr. 193, S. 111
sowie für eine detaillierte Beschreibung Kelders, Cote KBR 9507.
174 S. hierzu Geis, Modus vivendi, S. 203, die v. a. auf den klösterlichen bzw. dominikanischen Kontext
eingeht. Sweetman, Dominican Preaching, S. 159, verdeutlicht dagegen, dass es im „Bienenbuch“
um drei wesentliche soziale Zusammenhänge geht: religiöse Gemeinschaften, kirchliche Hierar-
chien und weltliche Hierarchien. Zu den Dimensionen des Ordo-Begriffs s. van Beneden, Ordo
sowie Melville, Zur Semantik.
 
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