III. DIE REZEPTIONSGESCHICHTE.
DAS BONUM UNIVERSALE DE APIBUS
IM SPIEGEL SEINER HANDSCHRIFTEN
III.l. Handschriften als Kommunikationsmedien -
Methodischer Zugang
Zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert wurde die lateinische Fassung des Bonum
universale de apibus in verschiedenen Regionen Europas über 120mal in vollständi-
ger oder leicht gekürzter Fassung abgeschrieben; in weiteren über 100 Handschriften
finden sich kurze Passagen, die aus dem Werk exzerpiert wurden. Auch die bekann-
ten 16 volkssprachlichen Exemplare (14.-17. Jahrhundert) belegen ein beachtliches
zeitgenössisches Interesse am „Bienenbuch“. Interessanterweise lässt sich die beein-
druckende Gesamtzahl der lateinischen Handschriften in Bezug auf ihren Entste-
hungs- oder Nutzungskontext aber nicht eindeutig zuordnen - weder sozial einer
Gruppe noch geographisch einem Raum. Der Blick auf die handschriftliche Überlie-
ferung offenbart vielmehr eine diverse und vielschichtige Rezeption des Textes, der
in klösterlichem Umfeld ebenso abgeschrieben wurde wie in klerikalen oder säkula-
ren Kreisen, im Westen Europas ebenso wie in dessen Osten.
Das wirft Fragen nach dem Stellenwert des Werks für mittelalterliche Rezipien-
ten, nach den Intentionen der Nutzer oder Besitzer und mithin auch nach der kommu-
nikativen Funktion der Handschriften auf. Neben dem eigentlichen Text rücken dabei
notwendigerweise der Codex, sein Material und seine Gestaltung1 wie gleicherma-
ßen seine Rezipienten und Gebrauchskontexte in den Blick. Die Wirkmacht eines
Textes lässt sich somit auf mehreren Ebenen akzentuieren: Wenn etwa Textinhalt und
Ausgestaltung bzw. Gliederung der Handschrift zueinander in Relation gesetzt wer-
den, lassen sich die funktionalen Ansprüche des Schreibers oder Auftraggebers
nachvollziehen (z.B. Gebrauchshandschrift; Nachschlagewerk; Handschrift als
Prachtobjekt). Durch die Untersuchung von Nutzungsspuren im Codex wiederum
können dessen kommunikative Funktion sowie sein Stellenwert für spätere Rezipien-
ten beleuchtet werden.
Forschungsgeschichtlich ist der Zusammenhang zwischen Gestaltung und
Funktionskontexten von mittelalterlichen Handschriften freilich nicht neu. In den
letzten Jahren rückte er im Zuge methodischer Debatten über Gegenstände und
1 Grundlegend hierzu: Becker/Licht/Schneidmüller, Pergament; Meyer/Schneidmüller, Zwischen
Pergament und Papier; Gertz/Schultz/Simek/Wallenwein, Abschreiben und Kopieren.
DAS BONUM UNIVERSALE DE APIBUS
IM SPIEGEL SEINER HANDSCHRIFTEN
III.l. Handschriften als Kommunikationsmedien -
Methodischer Zugang
Zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert wurde die lateinische Fassung des Bonum
universale de apibus in verschiedenen Regionen Europas über 120mal in vollständi-
ger oder leicht gekürzter Fassung abgeschrieben; in weiteren über 100 Handschriften
finden sich kurze Passagen, die aus dem Werk exzerpiert wurden. Auch die bekann-
ten 16 volkssprachlichen Exemplare (14.-17. Jahrhundert) belegen ein beachtliches
zeitgenössisches Interesse am „Bienenbuch“. Interessanterweise lässt sich die beein-
druckende Gesamtzahl der lateinischen Handschriften in Bezug auf ihren Entste-
hungs- oder Nutzungskontext aber nicht eindeutig zuordnen - weder sozial einer
Gruppe noch geographisch einem Raum. Der Blick auf die handschriftliche Überlie-
ferung offenbart vielmehr eine diverse und vielschichtige Rezeption des Textes, der
in klösterlichem Umfeld ebenso abgeschrieben wurde wie in klerikalen oder säkula-
ren Kreisen, im Westen Europas ebenso wie in dessen Osten.
Das wirft Fragen nach dem Stellenwert des Werks für mittelalterliche Rezipien-
ten, nach den Intentionen der Nutzer oder Besitzer und mithin auch nach der kommu-
nikativen Funktion der Handschriften auf. Neben dem eigentlichen Text rücken dabei
notwendigerweise der Codex, sein Material und seine Gestaltung1 wie gleicherma-
ßen seine Rezipienten und Gebrauchskontexte in den Blick. Die Wirkmacht eines
Textes lässt sich somit auf mehreren Ebenen akzentuieren: Wenn etwa Textinhalt und
Ausgestaltung bzw. Gliederung der Handschrift zueinander in Relation gesetzt wer-
den, lassen sich die funktionalen Ansprüche des Schreibers oder Auftraggebers
nachvollziehen (z.B. Gebrauchshandschrift; Nachschlagewerk; Handschrift als
Prachtobjekt). Durch die Untersuchung von Nutzungsspuren im Codex wiederum
können dessen kommunikative Funktion sowie sein Stellenwert für spätere Rezipien-
ten beleuchtet werden.
Forschungsgeschichtlich ist der Zusammenhang zwischen Gestaltung und
Funktionskontexten von mittelalterlichen Handschriften freilich nicht neu. In den
letzten Jahren rückte er im Zuge methodischer Debatten über Gegenstände und
1 Grundlegend hierzu: Becker/Licht/Schneidmüller, Pergament; Meyer/Schneidmüller, Zwischen
Pergament und Papier; Gertz/Schultz/Simek/Wallenwein, Abschreiben und Kopieren.