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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0137
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III. Die Rezeptionsgeschichte

Diese Befunde zu Format, Layout und Gliederung lassen sich gleichsam als mate-
rieller Spiegel der von Thomas von Cantimpre gewünschten Nutzung des „Bienen-
buchs“ als Predigthandbuch verstehen: Klarheit und Systematik im Aufbau, eine
bisweilen komplexe Untergliederung des Textes sowie eine sparsame Ausschmü-
ckung von Initialen oder Auszeichnungsbuchstaben sind erste stichhaltige Indizien
dafür, dass die Handschriften mehrheitlich tatsächlich als Handbücher oder Material-
sammlungen verwendet wurden.
IIL3.4. Arbeit am Text: Ordnungsschemata und Kommentierungen
Auch die in den Codices enthaltenen Kommentare und Ergänzungen mittelalterli-
cher Leser bestätigen die These des Gebrauchskontextes. In besonderem Maße gibt
davon die Anmerkung eines deutschsprachigen Schreibers in einem Codex aus dem
Zisterzienserkloster Fürstenfeld Ausdruck: Er übersetzte und erläuterte das Wort
reciprocare mit folgender Bemerkung: reciprocare widerredn in sich selbs oder
widergreiflich oder widerkern in sich selbst Auf eine gezielte Nutzung für die
Erstellung von Predigten deuten insbesondere die Register hin, die in zahlreichen
Handschriften des „Bienenbuchs“ zu finden sind.121 122 Sie lassen sich grundsätzlich
zwei Typen mit jeweils eigenem Ordnungsschema zuordnen. Klassisch ist zunächst
die Form als Kapitelverzeichnis, welches Überschriften oder Kapitelanfänge ggf.
mit Hinweisen auf die jeweilige Folio-Zahl beinhaltet. Darüber hinaus gibt es Ver-
zeichnisse, welche die Exempel des Gesamtwerks mit kurzen Überschriften alpha-
betisch verzeichnen und ggf. ebenfalls den betreffenden Folia zuordnen. Obgleich
beide Registerformen sich an der Binnengliederung des Textes oder an dessen Inhalt
orientieren, sind sie nicht genuiner Bestandteil des eigentlichen Haupttextes, son-
dern eine Zugabe der mittelalterlichen Rezipienten; verschiedene Codices enthalten
folglich gar keine Verzeichnisse.123
Die Positionierung sowie Anordnung im Codex ist jedoch nicht einheitlich gehal-
ten: einige Register befinden sich am Anfang, also vor dem Haupttext, andere an
dessen Ende. In diesen Fällen konnte das Register auch nachträglich hinzugefügt
oder von einem anderen Schreiber erstellt werden, wie noch zu zeigen sein wird.
Bisweilen scheint der Kopist des Gesamttextes aber auch gleich ein Register zur
Hand gehabt zu haben: So ist zu erklären, dass in einigen Exemplaren Register für

121 München, Bayerische Staatsbibliothek, cod. Clm 7000, fol. 25r. Zur Handschrift s. außerdem Ka-
pitel IV.4.5.
122 Grundlegend zur Bedeutung von Registern sind die Arbeiten von Meyer, Ordo rerum sowie von
den Brincken, Tabula alphabetica. Zu Registern als Indizien für Nutzungskontexte s. Meyer, Ordo
rerum, S. 319f.
123 So beispielsweise die Handschriften Bologna, Biblioteca universitaria, cod. 1674 oder Oviedo,
Archivo y Biblioteca Capitular de la Catedral, cod. XVI.
 
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