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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0143
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III. Die Rezeptionsgeschichte

Johannes Zager, der im 15. Jahrhundert an der Danziger St. Marien-Kirche wirkte. Er
scheint sein Exemplar des Bonum universale de apibus, eine theologische Sammel-
handschrift, mit eigenen Notizen zur Seelsorge angereichert zu haben; da das betref-
fende Exemplar verloren gegangen ist, kann lediglich auf die entsprechenden Katalo-
gangaben zurückgegriffen werden.138 Neben solch inhaltlichen Verbindungen
zwischen Predigthandbuch und Predigertätigkeit sind Bemühungen von Rezipienten
überliefert, die im „Bienenbuch“ beschriebene Lebenswelt des 13. Jahrhunderts mit
ihrer eigenen Gegenwart in Verbindung zu bringen. So vermerkte beispielsweise ein
Leser des bereits erwähnten Codex der Wiener Dominikaner am Rand zu BUA
11,3,14, in dem über den „Kinderkreuzzug“ von 1212 berichtet wird, dass sich Ähnli-
ches im Jahr 1456 auch in „Oberdeutschland“ zugetragen habe - zur Zeit des Glossa-
tors; diese Anspielung bezieht sich offenbar auf den Zug mehrerer Hundert Kinder,
die in den Jahren von 1456 bis 1459 aus der Schweiz und Deutschland zum Mont-
Saint-Michel pilgerten.139 Der kontextualisierende Hinweis ist insofern bemerkens-
wert, als der Wiener Codex laut Schreibervermerk 1473 angefertigt wurde und der
Nutzer folglich an Geschehnisse rund 20 Jahre zuvor erinnerte.
Wie das Beispiel einer in der Vatikanischen Bibliothek verwahrten Handschrift
(Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 4846 [= V3 in der Edition]) zeigt, waren
Nutzer bisweilen auch um die Präzisierung oder Kontextualisierung der von Thomas
vermittelten Informationen bemüht. So ergänzte der Glossator auf fol. 94v zu BUA
11,43,5, in dem von der Prophezeiung eines Arztes über den nahenden Tod eines tan-
zenden Mädchens im Umfeld des Grafen von Loon berichtet wird, dass es sich bei
diesem Arzt um den katalanischen Arzt Arnold von Villanova (ca. 1240-1311) han-
dele.140 An anderer Stelle (fol. 126r) wird ein Exempel über Dämonen bei Königsdorf
(= BUA 11,57,42), welches Thomas auf 1258 datiert, mit dem Verweis auf den ver-
meintlichen Abschluss des Werkes korrigiert.141
Neben Kommentierungen und Korrekturen sind auch Ergänzungen ein Ausweis
für die Arbeit der Zeitgenossen am Text. In der Regel erfolgte allerdings keine Erwei-
terung des Haupttextes, sondern thematisch oder strukturell passende Texte wurden
dem Gesamttext des Bonum universale de apibus voran- oder nachgestellt (s. zum
138 Gdansk, Biblioteka Polskiej Akademii Nauk, cod. Mar. F 254. S. zur Handschrift Günther, Hand-
schriften 5, S. 303-306. Zu Zager s. Günther, Andreas Slommow und Johannes Zager.
139 Wien, Dominikanerkloster: Codex Dominicanorum Vindobonensis, cod. 10 (10), fol. 29r.: simile
contigit anno 1456 in partibus superioribus alamanie euntes ad sanctum Michael em tempore me i°
vivente. Zum „Kinderkreuzzug“ der Jahre 1456-1459 s. Gäbler, Kinderwallfahrten. S. vergleich-
bar auch Wien, Dominikanerkloster: Codex Dominicanorum Vindobonensis, cod. 10 (10), fol. 62v
mit dem Verweis, das in BUA 11,29 Geschilderte habe sich ähnlich im Jahr 1475 zugetragen.
140 BAV Vat. lat. 4846, fol. 94v: de puella cantante quam ad mortem stjtam phisicus pronosticavit et
catalani dicunt hunc fuisse magistrum Arnaldum de villa nova medicum excellentem. Zur Arnold
von Villanova s. Ziegler, Medicine and Religion, S. 1-45. Zur Handschrift s. außerdem den Ab-
schnitt in der Handschriftenbeschreibung zur Edition (Kapitel IV.4.2.).
141 Biblioteca Apostolica Vaticana, cod. Vat. lat. 4846, fol. 126r: anno 1248 Uber iste fuit completus.
 
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