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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0153
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152

III. Die Rezeptionsgeschichte

freigiebig im Schenken erwies.“172 Es folgt das in BUA 11,25,14 erzählte Exempel
über einen Grafen Theobald (offenbar Theobald IV. von Blois und Chartres), der im
Winter auf einen Armen trifft und diesem großzügig alle seine Kleidungsstücke gibt.
Eine Ausnahme macht er allein bei der Kopfbedeckung, denn der Graf schämt sich
seiner Glatze. Daraufhin verzichtet der Arme auf alle Gaben und lässt den Grafen
betreten zurück; später wandelt dieser seine Scham über den eigenen Mangel an Frei-
giebigkeit in noch größere Barmherzigkeit um. In der Predigt aus Vadstena wird
diese Episode paraphrasiert und mit der Scham des Grafen beendet; daran schließt
ein Bericht über die caritas der heiligen Birgitta gegenüber Armen an, der sich zu-
gleich als Handlungsanweisung lesen lässt.173
Weitere Beispiele für die Einarbeitung des „Bienenbuchs“ in birgittinische Pre-
digttexte aus Vadstena ließen sich anführen.174 Allen Stellen ist gemein, dass die
Auszüge aus dem „Bienenbuch“, die durch eindeutige Verweise auf den Uber apum
oder den apiarius auch als solche zu erkennen sind, in neue Kontexte gerückt werden.
Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zur Praxis des Exzerpierens. Exzerpte
wurden, gleichsam unter Rückgriff auf die von Thomas von Cantimpre intendierte
Wirkung des Werkes, weitgehend kommentarlos als Materialbestand in eine Sam-
melhandschrift aufgenommen. Durch die Einarbeitung in Predigttexte dagegen wur-
den die Auszüge einen neuen Sinnzusammenhang gerückt, wobei in gewisser Weise
ebenfalls eine Autorenintention aufgegriffen wurde. Anstelle des Textcharakters als
Handbuch stand nun die kommunikative Wirkmacht der Exempel im Vordergrund,
freilich in einem neuen inhaltlichen Kontext.
Die Gründe für diese Form des Weiterverwendens liegen auf der Hand: die exzer-
pierten Geschichten wiesen eine gewisse Lebensnähe und eine klare moralische Bot-
schaft auf und waren damit nicht nur zugänglich, sondern auch in der mündlichen
Präsentation vermittelbar.175 Damit ist eine wesentliche Form der spätmittelalter-
lichen Rezeption des „Bienenbuchs“ benannt: mehrere Kompilatoren und Autoren
172 Corona aurea, hg. Frederiksson, S. 23, Abschnitt 47-49, hier 47: Vnde legimus de quodam comite
in libro apum, qui liberalissimus suo tempore extitit in donando. Iste hyeme media, que tune subito
magis inhorruit, per viam cum multitudine transeunte obuium habuit pauperem nudum.
173 Corona aurea, hg. Frederiksson, S. 23, Abschnitt 50: Sic eciam sancta Birgitta multum larga fuit
adpauperes, quia fecit largissimas elemosinas et in curia sua habuit pro pauperibus specialem
domum, in quam collegit debiles et infirmos, quorum curam egit.
174 S. beispielsweise Homiletica Vadstenensia, hg. von Berggren, S. 118 (Predigt des Nicolaus Ragu-
aldi, entstanden um 1501-1505, mit einem Exempel über Fulco von Lille aus BUA 1,22,2); ebd.,
S. 199 (Predigt des Nicolaus Ragualdi, entstanden um 1501-1505, mit einem Exempel über Simon
von Tournai aus BUA 11,48,5); ebd., S. 201 (Exempel über einen Kleriker, der vom Teufel berührt
wird, aus BUA 1,20,8) sowie S. 202 (Exempel über einen jungen Mann, der als Kind dem Benedik-
tinerorden übergeben wird, aus BUA 1,17).
175 Dieser Aspekt ist insofern besonders beachtenswert, als die Predigten in Vadstena offenbar auf
Schwedisch gehalten wurden, die Vorlagen jedoch in Lateinisch gehalten waren. S. hierzu Homi-
letica Vadstenensia, hg. von Berggren, S. VII-LXII sowie Carlquist, Birgittine Sisters. S. außer-
dem die Ausführungen zu Exempeln und ihrer kommunikativen Funktion in Kapitel II. 1.
 
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