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IV. Die Edition
verwechselte, wie es vereinzelt auch bei der Autorenbezeichnung geschah (vgl. Kapi-
tel III.2). Analog dazu lässt sich ex negativa im Hinblick auf die Handschrift aus
Bologna (Bo) ein weiteres Argument anführen: Sie enthält die in BUA 11,1,15 enthal-
tenen Wundergeschichten über den Dominikaner Johannes von Vicenza (geb. um
1200) nicht, obwohl diese von vividem Interesse für den lokalen Dominikanerkon-
vent gewesen sein dürften.42
Schließlich findet sich im Prolog ein weiteres Indiz: Der Verweis des Thomas,
wonach er das „Bienenbuch“ in Reaktion auf ein Gebot (mandalum) der Ordens-
leitung bzw. des Generalkapitels verfasst habe, findet sich nur in zwölf Handschrif-
ten.43 Darunter sind neben den acht Überlieferungsträgern der „längeren“ Fassung
auch die Codices Da2, A, Z und B2.44 Inhaltlich lässt sich der Hinweis auf Mandate
des Dominikanerordens als Anspielung auf die Beschlüsse der dominikanischen Ge-
neralkapitel von Mailand (1255) und Paris (1256) lesen, bei denen zur Sammlung von
zuvor nicht dokumentierten Wundern des heiligen Dominikus aufgerufen wurde.45
Die betreffende Textstelle könnte also durchaus im Nachhinein inseriert worden sein,
um die Entstehung des „Bienenbuchs“ mit dem Wissen um den historischen Kontext
zu erläutern und zu kontextualisieren.
Die Frage, ob es sich bei der „längeren Fassung“ um eine „originale“ oder eine im
Nachhinein ergänzte Version des „Bienenbuchs“ handelt, ist vielleicht nicht letztgül-
tig zu beantworten; die angeführten Argumente sprechen jedoch eher dafür, dass die
Hinzufügungen später erfolgten. Damit ließen sich auch Unterschiede zwischen der
„längeren“, der „kürzeren“ und der „Mischfassung“ im Sinne verschiedener Rezep-
tionsstufen plausibel machen.
IV.2.3. Untersuchung der Kapitelstruktur
Auf mögliche Gruppenzugehörigkeiten machte auch der Vergleich der Kapitel-
struktur ausgewählter Handschriften aufmerksam. Dazu wurden aus dem jeweili-
42 S. zu Johannes von Vicenza Sutter, Johann von Vicenza; Thompson, Revival Preachers, S. 39-44
und S. 52-79 sowie Alberzoni, Mendikantenpredigt, S. 107-116. Platelle verweist darauf, dass es
sich bei Thomas’ Bericht um das älteste Zeugnis über Johannes handelt, ohne jedoch benennen zu
können, wann es zu datieren ist. S. Platelle, Les exemples, S. 280.
43 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Et ego quidem indignus ex mandato vestro huius operis audaciam
sumpsi, cum in quodam capitulo generali fratribus demandastis, ut in singulis provinciis digna
memorie scriberentur, si perfratres vel occasione fratrum sive alias nota fratribus contigissent.
44 B2 (= Bruxelles, Bibliotheque Royale, cod. 11488) enthält außerdem die ersten vier Prüfstellen;
da der Codex den Text aber nur in gekürzter Fassung (bis BUA 11,16) beinhaltet, kann die letzte
Prüfstelle nicht vorhanden sein. Es ist also nicht falsch, diese Handschrift ebenfalls der Gruppe der
„längeren Fassung“ zuzurechnen. Dazu passt auch die Provenienz: die Handschrift entstand in der
Nähe von Löwen.
45 S. Acta Capitulorum I, S. 76 und 81f. sowie Dücker, Vorstellungen von Gemeinschaft. S. außer-
dem Kapitel II.3.1.
IV. Die Edition
verwechselte, wie es vereinzelt auch bei der Autorenbezeichnung geschah (vgl. Kapi-
tel III.2). Analog dazu lässt sich ex negativa im Hinblick auf die Handschrift aus
Bologna (Bo) ein weiteres Argument anführen: Sie enthält die in BUA 11,1,15 enthal-
tenen Wundergeschichten über den Dominikaner Johannes von Vicenza (geb. um
1200) nicht, obwohl diese von vividem Interesse für den lokalen Dominikanerkon-
vent gewesen sein dürften.42
Schließlich findet sich im Prolog ein weiteres Indiz: Der Verweis des Thomas,
wonach er das „Bienenbuch“ in Reaktion auf ein Gebot (mandalum) der Ordens-
leitung bzw. des Generalkapitels verfasst habe, findet sich nur in zwölf Handschrif-
ten.43 Darunter sind neben den acht Überlieferungsträgern der „längeren“ Fassung
auch die Codices Da2, A, Z und B2.44 Inhaltlich lässt sich der Hinweis auf Mandate
des Dominikanerordens als Anspielung auf die Beschlüsse der dominikanischen Ge-
neralkapitel von Mailand (1255) und Paris (1256) lesen, bei denen zur Sammlung von
zuvor nicht dokumentierten Wundern des heiligen Dominikus aufgerufen wurde.45
Die betreffende Textstelle könnte also durchaus im Nachhinein inseriert worden sein,
um die Entstehung des „Bienenbuchs“ mit dem Wissen um den historischen Kontext
zu erläutern und zu kontextualisieren.
Die Frage, ob es sich bei der „längeren Fassung“ um eine „originale“ oder eine im
Nachhinein ergänzte Version des „Bienenbuchs“ handelt, ist vielleicht nicht letztgül-
tig zu beantworten; die angeführten Argumente sprechen jedoch eher dafür, dass die
Hinzufügungen später erfolgten. Damit ließen sich auch Unterschiede zwischen der
„längeren“, der „kürzeren“ und der „Mischfassung“ im Sinne verschiedener Rezep-
tionsstufen plausibel machen.
IV.2.3. Untersuchung der Kapitelstruktur
Auf mögliche Gruppenzugehörigkeiten machte auch der Vergleich der Kapitel-
struktur ausgewählter Handschriften aufmerksam. Dazu wurden aus dem jeweili-
42 S. zu Johannes von Vicenza Sutter, Johann von Vicenza; Thompson, Revival Preachers, S. 39-44
und S. 52-79 sowie Alberzoni, Mendikantenpredigt, S. 107-116. Platelle verweist darauf, dass es
sich bei Thomas’ Bericht um das älteste Zeugnis über Johannes handelt, ohne jedoch benennen zu
können, wann es zu datieren ist. S. Platelle, Les exemples, S. 280.
43 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Et ego quidem indignus ex mandato vestro huius operis audaciam
sumpsi, cum in quodam capitulo generali fratribus demandastis, ut in singulis provinciis digna
memorie scriberentur, si perfratres vel occasione fratrum sive alias nota fratribus contigissent.
44 B2 (= Bruxelles, Bibliotheque Royale, cod. 11488) enthält außerdem die ersten vier Prüfstellen;
da der Codex den Text aber nur in gekürzter Fassung (bis BUA 11,16) beinhaltet, kann die letzte
Prüfstelle nicht vorhanden sein. Es ist also nicht falsch, diese Handschrift ebenfalls der Gruppe der
„längeren Fassung“ zuzurechnen. Dazu passt auch die Provenienz: die Handschrift entstand in der
Nähe von Löwen.
45 S. Acta Capitulorum I, S. 76 und 81f. sowie Dücker, Vorstellungen von Gemeinschaft. S. außer-
dem Kapitel II.3.1.