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BUA 11,53
937
[11] Dies ist also die Fürsprache der Heiligen für die Lebenden. Über die
Fürsprache der Heiligen für die Toten wird ziemlich viel erzählt, und wir
werden über einige Dinge berichten, die wir ohne Zweifel wissen.
[12] Ich habe einen gewissen Kanoniker der Kirche von Cambrai gesehen,
der in dem sehr gottergebenen Kloster von Cantimpre zum Regularorden 5
übertrat.25 Weil dieser Mann zu Lebzeiten den hochheiligen Apostel und
Evangelisten Johannes sehr eifrig verehrt hatte, erschien es nach seinem Tod
einem gewissen Mitkanoniker von ihm in einer Vision so, als sehe er eine
Erscheinung von folgender Art: Derselbe Apostel trat zur glorreichen
Jungfrau, der Mutter Christi, und bat sie demütig, indem er Folgendes 10
sprach: „Siehe, die Seele unseres Freundes wird in Qualen gemartert. Ich
flehe dich an, komm und befreie sie, 11 weil sie, wenn sie auch kein tadelloses Leben
geführt hat, dennoch ihr Leben || größtenteils gebessert hat.“ Und ohne zu zögern
stimmte die Jungfrau der Jungfrau26 zu, und sie stiegen ins Fegefeuer hinab,
nahmen die befreite Seele mit und || brachten sie zu den Himmlischen. Wir haben 15
dies durch jenen Mann erfahren, der es gesehen und 11 „Zeugnis darüber abgelegt hat.
Und wir wissen es, weil dessen Zeugnis wahr ist.“
[13] Im Winter der gegenwärtigen Zeit, die unter vielen Mühen zugebracht
wird, sind die Heiligen mit dem Körper quasi im Staub verborgen, schlafen
und nutzen den Honig als Nahrungsmittel, den sie im Sommer gesammelt 20
haben. Die Zeit des Sommers ist das Leben der Gnade in der Gegenwart, in
der es sich alle Gläubigen durch heilige Handlungen verdienen, dass gemäß
der Offenbarung ihre Werke diesen folgen und sie unterdessen zwischen
dem Tag der künftigen Auferstehung und dem Tod ihrer Seele ewige
Festmähler genießen. Wenn sie aber in der Gegenwart keineswegs 25
vollkommen bestraft worden sind, sondern nach dem Leben zur Bestrafung
aus dieser Welt geschieden sind, dann kann die Unterstützung der Lebenden
ihnen helfen. Und wir können diese Dinge als Nahrungsmittel bezeichnen,
mit denen die vom Körper befreiten Seelen der Gläubigen auf sehr begierige
Weise erfrischt werden, auch wenn sie dies doch im Leben durch gute 30
25Augustiner-Chorherrenstift von Cantimpre, das 1180 vor den Toren von Cambrai auf
Besitzungen Hugues ’ III. d'Oisy gegründet und errichtet wurde; Thomas von Cantimpre war
hier ab ca. 1217 Mitglied. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 11,1,19 sowie
Kapitel 1.1. der Einleitung zur Edition. | ^Fraglich ist, warum Thomas hier von einem
Versprechen einer Jungfrau gegenüber einer anderen Jungfrau fvirgo virgini) spricht; in der
Episode taucht zuvor nur die Jungfrau Maria auf. Möglicherweise ist damit jedoch der keusche
und fromme Chorherr aus Cantimpre gemeint.
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[11] Dies ist also die Fürsprache der Heiligen für die Lebenden. Über die
Fürsprache der Heiligen für die Toten wird ziemlich viel erzählt, und wir
werden über einige Dinge berichten, die wir ohne Zweifel wissen.
[12] Ich habe einen gewissen Kanoniker der Kirche von Cambrai gesehen,
der in dem sehr gottergebenen Kloster von Cantimpre zum Regularorden 5
übertrat.25 Weil dieser Mann zu Lebzeiten den hochheiligen Apostel und
Evangelisten Johannes sehr eifrig verehrt hatte, erschien es nach seinem Tod
einem gewissen Mitkanoniker von ihm in einer Vision so, als sehe er eine
Erscheinung von folgender Art: Derselbe Apostel trat zur glorreichen
Jungfrau, der Mutter Christi, und bat sie demütig, indem er Folgendes 10
sprach: „Siehe, die Seele unseres Freundes wird in Qualen gemartert. Ich
flehe dich an, komm und befreie sie, 11 weil sie, wenn sie auch kein tadelloses Leben
geführt hat, dennoch ihr Leben || größtenteils gebessert hat.“ Und ohne zu zögern
stimmte die Jungfrau der Jungfrau26 zu, und sie stiegen ins Fegefeuer hinab,
nahmen die befreite Seele mit und || brachten sie zu den Himmlischen. Wir haben 15
dies durch jenen Mann erfahren, der es gesehen und 11 „Zeugnis darüber abgelegt hat.
Und wir wissen es, weil dessen Zeugnis wahr ist.“
[13] Im Winter der gegenwärtigen Zeit, die unter vielen Mühen zugebracht
wird, sind die Heiligen mit dem Körper quasi im Staub verborgen, schlafen
und nutzen den Honig als Nahrungsmittel, den sie im Sommer gesammelt 20
haben. Die Zeit des Sommers ist das Leben der Gnade in der Gegenwart, in
der es sich alle Gläubigen durch heilige Handlungen verdienen, dass gemäß
der Offenbarung ihre Werke diesen folgen und sie unterdessen zwischen
dem Tag der künftigen Auferstehung und dem Tod ihrer Seele ewige
Festmähler genießen. Wenn sie aber in der Gegenwart keineswegs 25
vollkommen bestraft worden sind, sondern nach dem Leben zur Bestrafung
aus dieser Welt geschieden sind, dann kann die Unterstützung der Lebenden
ihnen helfen. Und wir können diese Dinge als Nahrungsmittel bezeichnen,
mit denen die vom Körper befreiten Seelen der Gläubigen auf sehr begierige
Weise erfrischt werden, auch wenn sie dies doch im Leben durch gute 30
25Augustiner-Chorherrenstift von Cantimpre, das 1180 vor den Toren von Cambrai auf
Besitzungen Hugues ’ III. d'Oisy gegründet und errichtet wurde; Thomas von Cantimpre war
hier ab ca. 1217 Mitglied. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 11,1,19 sowie
Kapitel 1.1. der Einleitung zur Edition. | ^Fraglich ist, warum Thomas hier von einem
Versprechen einer Jungfrau gegenüber einer anderen Jungfrau fvirgo virgini) spricht; in der
Episode taucht zuvor nur die Jungfrau Maria auf. Möglicherweise ist damit jedoch der keusche
und fromme Chorherr aus Cantimpre gemeint.