Das byzantinische Süditalien 1 47
fliehen oder um der Menge zu widerstehen, die sein zu guter Ruf anzieht, oder
um seine Pilgerreise nach Rom zu vollziehen. Im Gegensatz dazu dokumentie-
ren die Urkunden ein in die politischen und wirtschaftlichen Netzwerke stark
eingebettetes koinobitisches Mönchtum.25
Doch inwieweit muss zwischen Eremitismus und Koinobitismus im byzanti-
nischen Mönchtum differenziert werden? Einerseits macht der Gegensatz zwi-
schen Koinobitismus und Eremitismus im byzantinischen Mönchtum keinen
Sinn, denn beide Lebensstile werden als vorübergehende Entscheidungen in der
Laufbahn eines Mönchs betrachtet, in der der Hesychasmus ständig präsent ist.
Andererseits muss der Mangel an Quellen über Eremiten nicht unbedingt be-
deuten, dass es diesen nicht gab. Die Einsiedler hinterlassen in den Quellen
kaum Spuren, wenn dann meist nur in den Hagiographien. In der normanni-
schen Zeit kommt es nun allmählich zum Aussterben der italienisch-griechi-
schen Hagiographie26 und damit verschwinden die Eremiten fast vollständig aus
unseren Augen - mit Ausnahme einiger verstreuter und punktueller Hinweise
in den lateinischen Quellen. Alles, was wir von jetzt an über das italienisch-
griechische Mönchtums erfahren, ist mit den koinobitischen Gesellschaften ver-
bunden, die dank der normannischen Unterstützung eine unbestreitbare Wie-
derbelebung erfuhren.27
Dies bedeutet keineswegs die Nichtexistenz griechischer Einsiedler im zwölf-
ten Jahrhundert, also zurzeit eines Joachim von Fiore. Es ist wahrscheinlich,
wenn auch nicht sicher belegt, dass griechische Einsiedler in Kalabrien, Sizilien
und Apulien lebten. Allerdings können darüber kaum Aussagen getroffen wer-
den, abgesehen davon, dass die Kontakte mit diesen beim Wunsch nach einer
anspruchsvollen Askese oberste Priorität hatten. Die Askese ist jedoch kein
25 Peters-Custot, Le monachisme italo-grec (wie Anm. 19). An der Wende vom elften zum
zwölften Jahrhundert schloss sich das narrative Modell der italienisch-griechischen Hagio-
graphien der notariellen Rede an, das durch den Bau einer koinobitischen und herrschaftsna-
hen Klosterheiligkeit, wie sie beispielsweise in Giovanni Teriste oder Bartolomeo da Simeri,
der das Kloster S. Maria del Patire von Rossano mithilfe Graf Rogers I. gründete, verkörpert
wird. Auch Bartolomeos Schüler Lukas erhält zunächst den königlichen Befehl, das Kloster
des S. Salvatore von Messina zu gründen. In der hagiographischen, doch traditionell konser-
vativen Erzählung verschwindet die Figur des heiligen Asketen zugunsten des geschickten
Hegumenos oder sogar des heiligen Bischofs, der mit Luca von Isola Capo Rizzuto eine
neue - und vergängliche - Geburt kennt. Kurz darauf hört die Produktion der italienisch-
griechischen Hagiographie auf.
26 Über die italienisch-griechische hagiographische Produktion: Stephanos Efthymiadis,
L'hagiographie grecque de l'Italie, VIIe-XIVe siecle, in: Hagiographies. Histoire internationa-
le de la litterature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines ä 1550, hg.
von Monique Goulet (Corpus Christianorum. Hagiographies 7), Turnhout 2017, S. 345-421.
27 Peters-Custot, Les Grecs (wie Anm. 24), S. 266-306.
fliehen oder um der Menge zu widerstehen, die sein zu guter Ruf anzieht, oder
um seine Pilgerreise nach Rom zu vollziehen. Im Gegensatz dazu dokumentie-
ren die Urkunden ein in die politischen und wirtschaftlichen Netzwerke stark
eingebettetes koinobitisches Mönchtum.25
Doch inwieweit muss zwischen Eremitismus und Koinobitismus im byzanti-
nischen Mönchtum differenziert werden? Einerseits macht der Gegensatz zwi-
schen Koinobitismus und Eremitismus im byzantinischen Mönchtum keinen
Sinn, denn beide Lebensstile werden als vorübergehende Entscheidungen in der
Laufbahn eines Mönchs betrachtet, in der der Hesychasmus ständig präsent ist.
Andererseits muss der Mangel an Quellen über Eremiten nicht unbedingt be-
deuten, dass es diesen nicht gab. Die Einsiedler hinterlassen in den Quellen
kaum Spuren, wenn dann meist nur in den Hagiographien. In der normanni-
schen Zeit kommt es nun allmählich zum Aussterben der italienisch-griechi-
schen Hagiographie26 und damit verschwinden die Eremiten fast vollständig aus
unseren Augen - mit Ausnahme einiger verstreuter und punktueller Hinweise
in den lateinischen Quellen. Alles, was wir von jetzt an über das italienisch-
griechische Mönchtums erfahren, ist mit den koinobitischen Gesellschaften ver-
bunden, die dank der normannischen Unterstützung eine unbestreitbare Wie-
derbelebung erfuhren.27
Dies bedeutet keineswegs die Nichtexistenz griechischer Einsiedler im zwölf-
ten Jahrhundert, also zurzeit eines Joachim von Fiore. Es ist wahrscheinlich,
wenn auch nicht sicher belegt, dass griechische Einsiedler in Kalabrien, Sizilien
und Apulien lebten. Allerdings können darüber kaum Aussagen getroffen wer-
den, abgesehen davon, dass die Kontakte mit diesen beim Wunsch nach einer
anspruchsvollen Askese oberste Priorität hatten. Die Askese ist jedoch kein
25 Peters-Custot, Le monachisme italo-grec (wie Anm. 19). An der Wende vom elften zum
zwölften Jahrhundert schloss sich das narrative Modell der italienisch-griechischen Hagio-
graphien der notariellen Rede an, das durch den Bau einer koinobitischen und herrschaftsna-
hen Klosterheiligkeit, wie sie beispielsweise in Giovanni Teriste oder Bartolomeo da Simeri,
der das Kloster S. Maria del Patire von Rossano mithilfe Graf Rogers I. gründete, verkörpert
wird. Auch Bartolomeos Schüler Lukas erhält zunächst den königlichen Befehl, das Kloster
des S. Salvatore von Messina zu gründen. In der hagiographischen, doch traditionell konser-
vativen Erzählung verschwindet die Figur des heiligen Asketen zugunsten des geschickten
Hegumenos oder sogar des heiligen Bischofs, der mit Luca von Isola Capo Rizzuto eine
neue - und vergängliche - Geburt kennt. Kurz darauf hört die Produktion der italienisch-
griechischen Hagiographie auf.
26 Über die italienisch-griechische hagiographische Produktion: Stephanos Efthymiadis,
L'hagiographie grecque de l'Italie, VIIe-XIVe siecle, in: Hagiographies. Histoire internationa-
le de la litterature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines ä 1550, hg.
von Monique Goulet (Corpus Christianorum. Hagiographies 7), Turnhout 2017, S. 345-421.
27 Peters-Custot, Les Grecs (wie Anm. 24), S. 266-306.