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Maul, Stefan M.; Strauß, Rita; Schwemer, Daniel; Maul, Stefan M. [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 4): Ritualbeschreibungen und Gebete I — Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.32132#0014
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Einleitung

Ritualbeschreibungen und Gebete aus Assur

Der weitaus größte Teil der unveröffentlicht gebliebenen
literarischen Keilschrifttexte aus Assur gehört zu jenen Texten,
die professionelle mesopotamische Heiler, die sog. »Beschwörer«
(äsipü oder masmassü), zur Erlernung und zur Ausübung ihres
Berufes benötigten und schon als »Lehrlinge« in jungen Jahren
niederzuschreiben begannen. 1 Die ganze Bandbreite dieser
Überlieferung führt uns die auch aus Assur bekannte, 2 auf einen
berühmten Gelehrten des zweiten vorchristlichen Jahrtausends
zurückgehende Zusammenstellung „der Tontafelserien“ vor
Augen, „welche für die Lehre und das Studium (eines äsipu
bzw. eines masmassu) verbindlich sind.“ 3 Hierzu zählen z. B.
genaue Anleitungen zur Durchführung von Tempeldienst,
Lesten, Therapien und Ritualen, heilkundliche Texte aller Art
sowie zahlreiche Beschwörungen und Gebete in sumerischer
und akkadischer Sprache. Ein großer Teil dieser von Generation
an Generation weitergegebenen Texte beschreibt, wie der Zom
der Götter besänftigt und mit welchen Mitteln Häuser, Tempel,
Paläste und Menschen von dem Zugriff unheilvoller Kräfte
befreit, vor üblen Einflüssen geschützt und mit Glück und Segen
versehen werden sollten. Die im Alten Orient hoch geachtete,
nicht zuletzt auch durch das Schrifttum aus Assur bekannt
gewordene mesopotamische »Beschwörungskunst« (äsipütu)
hatte nämlich die wichtige Aufgabe zu erfüllen, mit allen ihr
zur Verfügung stehenden Mitteln Heil und Wohlergehen zu
erhalten, drohendes Unheil, Unglück und Krankheit abzuwenden
und dauerhaft von Land und Leuten und auch von dem König
fernzuhalten. 4

Nicht wenige der in Assur zu Tage gekommenen, für den
Gebrauch des »Beschwörers« bestimmten Skripte wurden
schon vor geraumer Zeit von Erich Ebeling, Lranz Köcher 5 und

1 Hierzu siehe S. M. Maul, „Die Tontafelbibliothek aus dem sogenannten »Haus
des Beschwörungspriesters«”, in: S. M. Maul, N. P. Heeßel (Hrsg.), Assur-
Forschungen, Wiesbaden 2010,189-228, vor allem 202ff.

2 Aus dem Bestand der Bibliothek des sog. Hauses des Beschwörungspriesters
sind gleich zwei Textvertreter bekannt (KAR 44 = VAT 8275 und ein weiteres
noch unveröffentlichtes Exemplar).

3 Die jüngste Bearbeitung des sog. »Leitfadens der Beschwörungskunst« legte
M. J. Geller im Jahr 2000 in der Festschrift für W. G. Lambert vor (S. 242-254,
Text E); siehe auch C. Jean, SAAS 17 (2006), 62-82 und die Übersetzung von
K. Hecker in TUAT NF 4 (2008), 76-79. Zu einem weiteren Textvertreter aus
dem seleukidenzeitlichen Uruk siehe E. von Weiher, SpTU V (1998), 20-21
TextNr.231.

4 Hierzu vgl. auch C. Jean, SAAS 17 mit weiterführender Literatur.

5 Vor allem in: E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts

Bd. I, WVDOG 28, Leipzig (1915-) 1919; ders., Keilschrifttexte aus Assur

religiösen Inhalts Bd. II, WVDOG 34, Leipzig (1920-)1923; E. Ebeling,

anderen veröffentlicht. Aus naheliegenden Gründen hatte man
sich zunächst den besser erhaltenen Stücken zugewandt. Viele
weitere in der Tigrismetropole gefundene Schriftzeugnisse mit
Traktaten der »Beschwörungskunst« blieben indes unbeachtet
- sei es, weil diese Tontafeln stark beschädigt und deshalb nur
schwer lesbar waren, oder weil sich nur so kleine Bruchstücke
auffinden ließen, daß eine Edition kaum sinnvoll erschien. Inhalt
und Wert solcher Texte erschließen sich selbst dem Lachmann
nur langsam und durch stetiges Studium, und erst mit der
Zeit gelingt es doch noch immer wieder, durch das Auffinden
zusammengehöriger Lragmente größere Textpassagen der
Vergessenheit abzugewinnen und auf diese Weise verloren
geglaubte Schätze wieder zu heben. So lassen sich mit großer
Geduld in manchen Lällen aus vielen kleinen, scheinbar
wertlosen Tafelfragmenten sogar mehr oder minder vollständige
Tontafeln zusammensetzen (siehe z. B. unten Text Nr. 53).

Die systematische Sichtung der unbeachtet gebliebenen
Keilschrifttexte aus Assur, welche im Berliner Vorderasiatischen
Museum aufbewahrt werden, erbrachte einen solchen
Zuwachs an noch unbekannten Anleitungen zur Abwehr von
Schadenzauber, daß hiermit ein ganzer Band der Keilschrifitexte
aus Assur literarischen Inhalts gefüllt werden konnte. 6 Von
vergleichbarem Umfang sind auch die Handlungsanweisungen
für Rituale, die man durchführte, um den von Göttern über
einen Menschen verhängten »Bann« {mämTtu) zu lösen, 7 für
Skripte sumerischer exorzistischer Beschwörungen, die nicht
selten mit einer akkadischen Übersetzung versehen sind, 8
sowie für die bei den Ausgrabungen in Assur gefundenen
Handlungsanweisungen für Leste und öffentliche Rituale,
welche der König selbst durchzuführen hatte. 9 Über dies
hinaus aber lassen sich trotz aller Erfolge, die beim Auffinden

F. Köcher, Literarische Keilschrifttexte aus Assur, Berlin 1953; F. Köcher, Die
Babylonisch-assyrische Medizin in Texten und Untersuchungen, Band I-VI,
Berlin 1963-1980.

6 Daniel Schwemer, Rituale und Beschwörungen gegen Schadenzauber, KAL 2,
Wiesbaden 2007 (siehe auch unten, Texte Nr. 24-33).

7 In den Keilschrifttexten ans Assnr literarischen Inhalts wird S. M. Maul
einen Band mit den Beschreibungen des nam-erim-bür-ru-da genannten
Ritualzyklus vorlegen. Zu Ritualen zur Lösung des Banns siehe auch die
Beiträge von S. M. Maul, in: H. F. J. Horstmanshoff, M. Stol (Hrsg.), Magic
and Rationality in Ancient Near Eastern and Graeco-Roman Medicine,
Leiden/Boston 2004, 79-95 und in B. Janowski, D. Schwemer (Hrsg.), TUAT
NF 5,135-146.

8 Eine Edition dieser Texte ist für einen der kommenden Bände der
Keilschrifttexte ans Assnr literarischen Inhalts vorgesehen.

9 Eine Edition dieser Texte ist ebenfalls für einen der kommenden Bände der
Keilschrifttexte ans Assnr literarischen Inhalts vorgesehen.
 
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