54
Divinatorische Texte II: Opferschau-Omina
7’ [B]E GAG.ZAG.GA TES.BI ka-p(-<is> NUN e- rma' DU-&[« ]
8’ [BE] GAG.ZAG.GA ina MURUB4-M GAM-is [ ]
Auch dieser Abschnitt umfaßt wie der Abschnitt im vorliegenden Text fünf Omina, doch erscheinen sie mit Ausnahme des
ersten Omens in unterschiedlicher Reihenfolge. Das Omen i 18 findet sich in Z. 7’, i 19 fehlt in diesem Abschnitt, stattdes-
sen findet sich das Omen in Z. 6’, i 20 ist parallel zu Z. 8’ und i 21 zu Z. 5’.
I 17 // BLO 103 i 12’. Zum kaskasu(GAGZAG.GA) „Schwertfortsatz des Brustbeins“ siehe I. Starr, Rituals, 67 und ders.,
SAA IV, LXXIII Anm. 193.
I 18-19 // 46.-47. Omen der vierten Tafel des Kapitels summa isru, erhalten in BM 32207 (unp.) Rs. 1-2, K 3982 (Boissier, Choix I
94-96) Rs. 2’-3’ und BM 32494 (unp.) Rs. 6-7: BE GAG.ZAG.GA TES.BI ka-pi-is NUN e-ma DU-ku HA.LA GU7 und BE
GAG.ZAG.GA TES.BI na-pdr-qud KÜR TES.BI GAZ-an-ni.
Die Verben kapäsu und naparqudu bilden eines der wichtigsten Gegensatzpaare in den Opferschau-Omina. Besonders häu-
fig treten sie im Zusammenhang mit dem kaskasu, wie im vorliegenden Fall und am Anfang der vierten Tafel des Kapitels
summa isru, und dem nasraptu „Färbbottich“ auf, daneben aber auch am ubänu „Finger“ der Leber (so in der ersten Tafel
des Kapitels summa ubänu) sowie an der Lunge (siehe unten VAT 8710 und VAT 9413, Nr. 60-61). Um die genaue
Interpretation von kapäsu und naparqudu wurde sehr lange gerungen, und eine allgemein akzeptierte Deutung läßt sich bis-
lang nicht feststellen. Die grundlegende Diskussion dieser beiden Verben stammt von Jean Nougayrol, RA 40 (1945-46)
95f„ der nach ausführlicher Diskussion der Belege für kapäsu eine Bedeutung „ecrasser“ und für naparqudu „revenir (sur
soi), (se) relever, (se) recroqueviller“ vorschlug. Albrecht Goetze, JCS 11 (1957) 102f. übersetzte dannkapäsu mit „to bend
up“ und naparqudu mit „to bend forward/backward“. Infolge der Diskussionen in den Wörterbüchem (AHw 443a und 735a
sowie CAD K 181a und CAD N/I 282a) setzte sich eine Bedeutung „sich zusammenziehen“ für kapäsu und „auf dem
Rücken/flach liegen“ für naparqudu durch. Ulla Jeyes, OBE 142 überging dann im Jahr 1989 diese Deutungen und führte
ohne jegliche Begründung („I prefer the translations, „to be concave/convex“, to „to bend forward/backward““) die Über-
setzung „konkav/konvex sein/werden“ für kapäsu/naparqudu ein. Diese Übersetzung wurde vielfach aufgenommen
(I. Starr, BiOr 48 [1991] 179, U. Koch-Westenholz, BLO, 508 und 519, dies., Secrets, 590, Th. Richter, in: B. Böck et al.
[Hrsg.], Fs. J. Renger, 409 Anm. 21-22), doch ist sie durch die überzeugende Identifizierung des nasraptu „Färbbottich“
mit dem auf die facies visceralis umgeschlagenen Teil des Lobus sinister durch R. Leiderer, Anatomie, 52f. (siehe hierzu
auch die Bemerkungen zu ii 17-19) überaus fraglich geworden. Denn wie schon A. Goetze, YOS 10, 102f. gesehen hat,
stellt kapäsu den normalen Zustand des nasraptu „Färbbottichs“ dar, wodurch eine Übersetzung „konkav sein“ sinnlos ist.
Vielmehr ist analog zu dem umgeschlagen Rand des Lobus sinister kapäsu mit „umgeschlagen, gebogen sein“ und napar -
qudu als das Gegenteil „flach liegen, gerade sein“ zu übersetzen.
Die Deutung der Apodose von I 19 als nakru istenis idäkanni folgt CAD FJ 280b.
121 // 57. Omen der vierten Tafel des Kapitels summa isru: BE GAG.ZAG.GA hu-us-sur GABA.RAH.HA, das in BM 32207 (unp.)
Rs. 12, K 4136+ (unp., teilw. in A. Boissier, Choix I 94) Rs. l’, K 3982 (Boissier, Choix I 94-96) Rs. 12’, K 11670 (unp.)
6’ und BM 32494 (unp.) 17 erhalten ist. Daneben erscheint es auch in dem Kommentartext BLO 103 i 11’ und wird häufig
in Opferschau-Protokollen zitiert, siehe I. Starr, SAA IV, Nr. 290 Rs. 5 und Nr. 296 Vs. 14.
Das Nomen gabarahhu, logographisch GABA.RA (I. Starr, SAA IV, 296 Vs. 14), GABA.RAH oder GABA.RAH.HA
geschrieben, wird in AHw 271a mit „Brustschlagen, Verzweiflung (?)“ übersetzt. In CAD G lf. hingegen wird das Wort
als „rebellion“ interpretiert und dazu angemerkt: „The Sum. etymon, gaba ... rah suggests physical violence accompany-
ing a riot or revolt.“ Die Belege, in denen das Wort erscheint, sprechen jedoch eindeutig gegen die Deutung imCAD,denn
gabarahhu wird oft, wie im vorliegenden Text, mit tesü „Verwirrung“ assoziiert, so auch im Kodex Hammurapi XLII 60.
Die Belege in den Omina deuten nicht auf „Rebellion“, sondern auf eine tiefe Verzweiflung, die selbstzerstörerische Züge
bis hin zur physischen Gewalt gegen den eigenen Körper trägt. Dies wird auch durch Kommentare, siehe H. Hunger,
SpTU 1/72, Rs. 4 (GABA.RAH.HA : ra-pa-äs irti(GABA) „gabarahhu heißt ‘Schlagen der Brust’“), nahegelegt. Für einen
interessanten 1/r-Wechsel in diesem Wort siehe zu VAT 13803 + VAT 13810 (Nr. 19) Vs. 7-8.
I 23 Die tTränü(SÄ.NIGIN) „Darmwindungen“ bestehen aus dem großen Kolon ohne das Caecum, siehe R. K. G. Temple,
JCS 34 (1982) 19-27. Zur Lesung tTränü für des Logogramms SÄ.NIGIN siehe bereits A. Boissier, OLZ 11 (1908) 456-461.
I 24 Zu einer Parallele in einem älteren Text siehe J. Nougayrol, RA 65 (1971) 82 zu Z. 47’.
I 25 // Drittes Omen der zweiten Tafel des Kapitels summa tTränü, das in K 3670 + K 6204 + K 8343 + K 11281 (teilw.
A. Boissier, Choix I 92-93) + K 12387 + K 12874 (unp.) Vs. 3 und Rm2, 180 (unp.) Vs. 3 erhalten ist.
I 26 Das Omen hat eine Parallele in dem Incipit der zweiten Tafel des Kapitels summa tiränü: BE SÄ.NIGIN IM SA5.MES ni-ip-
hat 1ÜHAL SUB-[n ERIN-m], Dieses Incipit ergibt sich aus der Kombination der Stichzeile von 82-5-22, 552 (unp.) Rs. ll',
einem Manuskript der ersten Tafel von summa tiränü, und den Resten der Incipits von K 3670 + und Rm2,180 (siehe i 25),
die zur zweiten Tafel von summa tTränü gehören.
Zur Apodose vgl. VAT 8611 (Nr. 30) Vs. 4 und VAT 10114 (Nr. 69, KAR 427) Rs. 25. Mit dem terminus technicus niphu
wird ein Merkmal bezeichnet, das die Deutung der ganzen Opferschau beeinflußt und sie ins Gegenteil verkehrt. Siehe hier-
zu J. Denner, AfO 7 (1931-32) 186 Anm. 2 und vgl. I. Starr, JCS 27 (1975) 245-247, der sich gegen die Übersetzungen der
Wörterbücher wendet. Eine neue Diskussion von niphu und dem ähnlichen Merkmal pitrustu findet sich bei U. S. Koch,
Secrets, 10-21. Da insbesondere das Verhältnis von niphu zu pitrustu nicht genau abgegrenzt werden kann, werden diese
beiden auch als „Joker“ bezeichneten Merkmale hier nicht übersetzt.
Divinatorische Texte II: Opferschau-Omina
7’ [B]E GAG.ZAG.GA TES.BI ka-p(-<is> NUN e- rma' DU-&[« ]
8’ [BE] GAG.ZAG.GA ina MURUB4-M GAM-is [ ]
Auch dieser Abschnitt umfaßt wie der Abschnitt im vorliegenden Text fünf Omina, doch erscheinen sie mit Ausnahme des
ersten Omens in unterschiedlicher Reihenfolge. Das Omen i 18 findet sich in Z. 7’, i 19 fehlt in diesem Abschnitt, stattdes-
sen findet sich das Omen in Z. 6’, i 20 ist parallel zu Z. 8’ und i 21 zu Z. 5’.
I 17 // BLO 103 i 12’. Zum kaskasu(GAGZAG.GA) „Schwertfortsatz des Brustbeins“ siehe I. Starr, Rituals, 67 und ders.,
SAA IV, LXXIII Anm. 193.
I 18-19 // 46.-47. Omen der vierten Tafel des Kapitels summa isru, erhalten in BM 32207 (unp.) Rs. 1-2, K 3982 (Boissier, Choix I
94-96) Rs. 2’-3’ und BM 32494 (unp.) Rs. 6-7: BE GAG.ZAG.GA TES.BI ka-pi-is NUN e-ma DU-ku HA.LA GU7 und BE
GAG.ZAG.GA TES.BI na-pdr-qud KÜR TES.BI GAZ-an-ni.
Die Verben kapäsu und naparqudu bilden eines der wichtigsten Gegensatzpaare in den Opferschau-Omina. Besonders häu-
fig treten sie im Zusammenhang mit dem kaskasu, wie im vorliegenden Fall und am Anfang der vierten Tafel des Kapitels
summa isru, und dem nasraptu „Färbbottich“ auf, daneben aber auch am ubänu „Finger“ der Leber (so in der ersten Tafel
des Kapitels summa ubänu) sowie an der Lunge (siehe unten VAT 8710 und VAT 9413, Nr. 60-61). Um die genaue
Interpretation von kapäsu und naparqudu wurde sehr lange gerungen, und eine allgemein akzeptierte Deutung läßt sich bis-
lang nicht feststellen. Die grundlegende Diskussion dieser beiden Verben stammt von Jean Nougayrol, RA 40 (1945-46)
95f„ der nach ausführlicher Diskussion der Belege für kapäsu eine Bedeutung „ecrasser“ und für naparqudu „revenir (sur
soi), (se) relever, (se) recroqueviller“ vorschlug. Albrecht Goetze, JCS 11 (1957) 102f. übersetzte dannkapäsu mit „to bend
up“ und naparqudu mit „to bend forward/backward“. Infolge der Diskussionen in den Wörterbüchem (AHw 443a und 735a
sowie CAD K 181a und CAD N/I 282a) setzte sich eine Bedeutung „sich zusammenziehen“ für kapäsu und „auf dem
Rücken/flach liegen“ für naparqudu durch. Ulla Jeyes, OBE 142 überging dann im Jahr 1989 diese Deutungen und führte
ohne jegliche Begründung („I prefer the translations, „to be concave/convex“, to „to bend forward/backward““) die Über-
setzung „konkav/konvex sein/werden“ für kapäsu/naparqudu ein. Diese Übersetzung wurde vielfach aufgenommen
(I. Starr, BiOr 48 [1991] 179, U. Koch-Westenholz, BLO, 508 und 519, dies., Secrets, 590, Th. Richter, in: B. Böck et al.
[Hrsg.], Fs. J. Renger, 409 Anm. 21-22), doch ist sie durch die überzeugende Identifizierung des nasraptu „Färbbottich“
mit dem auf die facies visceralis umgeschlagenen Teil des Lobus sinister durch R. Leiderer, Anatomie, 52f. (siehe hierzu
auch die Bemerkungen zu ii 17-19) überaus fraglich geworden. Denn wie schon A. Goetze, YOS 10, 102f. gesehen hat,
stellt kapäsu den normalen Zustand des nasraptu „Färbbottichs“ dar, wodurch eine Übersetzung „konkav sein“ sinnlos ist.
Vielmehr ist analog zu dem umgeschlagen Rand des Lobus sinister kapäsu mit „umgeschlagen, gebogen sein“ und napar -
qudu als das Gegenteil „flach liegen, gerade sein“ zu übersetzen.
Die Deutung der Apodose von I 19 als nakru istenis idäkanni folgt CAD FJ 280b.
121 // 57. Omen der vierten Tafel des Kapitels summa isru: BE GAG.ZAG.GA hu-us-sur GABA.RAH.HA, das in BM 32207 (unp.)
Rs. 12, K 4136+ (unp., teilw. in A. Boissier, Choix I 94) Rs. l’, K 3982 (Boissier, Choix I 94-96) Rs. 12’, K 11670 (unp.)
6’ und BM 32494 (unp.) 17 erhalten ist. Daneben erscheint es auch in dem Kommentartext BLO 103 i 11’ und wird häufig
in Opferschau-Protokollen zitiert, siehe I. Starr, SAA IV, Nr. 290 Rs. 5 und Nr. 296 Vs. 14.
Das Nomen gabarahhu, logographisch GABA.RA (I. Starr, SAA IV, 296 Vs. 14), GABA.RAH oder GABA.RAH.HA
geschrieben, wird in AHw 271a mit „Brustschlagen, Verzweiflung (?)“ übersetzt. In CAD G lf. hingegen wird das Wort
als „rebellion“ interpretiert und dazu angemerkt: „The Sum. etymon, gaba ... rah suggests physical violence accompany-
ing a riot or revolt.“ Die Belege, in denen das Wort erscheint, sprechen jedoch eindeutig gegen die Deutung imCAD,denn
gabarahhu wird oft, wie im vorliegenden Text, mit tesü „Verwirrung“ assoziiert, so auch im Kodex Hammurapi XLII 60.
Die Belege in den Omina deuten nicht auf „Rebellion“, sondern auf eine tiefe Verzweiflung, die selbstzerstörerische Züge
bis hin zur physischen Gewalt gegen den eigenen Körper trägt. Dies wird auch durch Kommentare, siehe H. Hunger,
SpTU 1/72, Rs. 4 (GABA.RAH.HA : ra-pa-äs irti(GABA) „gabarahhu heißt ‘Schlagen der Brust’“), nahegelegt. Für einen
interessanten 1/r-Wechsel in diesem Wort siehe zu VAT 13803 + VAT 13810 (Nr. 19) Vs. 7-8.
I 23 Die tTränü(SÄ.NIGIN) „Darmwindungen“ bestehen aus dem großen Kolon ohne das Caecum, siehe R. K. G. Temple,
JCS 34 (1982) 19-27. Zur Lesung tTränü für des Logogramms SÄ.NIGIN siehe bereits A. Boissier, OLZ 11 (1908) 456-461.
I 24 Zu einer Parallele in einem älteren Text siehe J. Nougayrol, RA 65 (1971) 82 zu Z. 47’.
I 25 // Drittes Omen der zweiten Tafel des Kapitels summa tTränü, das in K 3670 + K 6204 + K 8343 + K 11281 (teilw.
A. Boissier, Choix I 92-93) + K 12387 + K 12874 (unp.) Vs. 3 und Rm2, 180 (unp.) Vs. 3 erhalten ist.
I 26 Das Omen hat eine Parallele in dem Incipit der zweiten Tafel des Kapitels summa tiränü: BE SÄ.NIGIN IM SA5.MES ni-ip-
hat 1ÜHAL SUB-[n ERIN-m], Dieses Incipit ergibt sich aus der Kombination der Stichzeile von 82-5-22, 552 (unp.) Rs. ll',
einem Manuskript der ersten Tafel von summa tiränü, und den Resten der Incipits von K 3670 + und Rm2,180 (siehe i 25),
die zur zweiten Tafel von summa tTränü gehören.
Zur Apodose vgl. VAT 8611 (Nr. 30) Vs. 4 und VAT 10114 (Nr. 69, KAR 427) Rs. 25. Mit dem terminus technicus niphu
wird ein Merkmal bezeichnet, das die Deutung der ganzen Opferschau beeinflußt und sie ins Gegenteil verkehrt. Siehe hier-
zu J. Denner, AfO 7 (1931-32) 186 Anm. 2 und vgl. I. Starr, JCS 27 (1975) 245-247, der sich gegen die Übersetzungen der
Wörterbücher wendet. Eine neue Diskussion von niphu und dem ähnlichen Merkmal pitrustu findet sich bei U. S. Koch,
Secrets, 10-21. Da insbesondere das Verhältnis von niphu zu pitrustu nicht genau abgegrenzt werden kann, werden diese
beiden auch als „Joker“ bezeichneten Merkmale hier nicht übersetzt.