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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
4. Die Frage nach dem Sinn der Achsenzeit24
Eine ganz andere Frage als die nach der Ursache ist die nach dem Sinn der Achsenzeit.
Der Tatbestand der dreifach erscheinenden Achsenzeit ist wie ein Wunder, sofern
eine wirklich zureichende Erklärung, soviel wir bis jetzt sehen, außerhalb des Horizon-
tes unserer Erklärungsmöglichkeiten liegt. Der verborgene Sinn dieses Tatbestandes ist
jedoch überhaupt nicht empirisch als ein irgendwo von jemandem gemeinter Sinn zu
finden. Nach ihm zu fragen, bedeutet vielmehr nur, was wir aus dem Tatbestand ma-
chen, was uns daraus zuwächst. Wenn dabei Ausdrücke unterlaufen, als ob wir an
einen Plan der Vorsehung dächten, so sind das nur Gleichnisse.
a) Den Tatbestand der Achsenzeit wirklich zu sehen, ihn zum Boden unseres uni-
versalen Geschichtsbildes zu gewinnen, das heißt: etwas gewinnen, was der ganzen
Menschheit, über alle Unterschiede des Glaubens hinweg, gemeinsam ist. Es ist etwas an-
deres, die Einheit der Geschichte allein aus dem eigenen Grunde glaubend zu erblik-
ken, oder die Einheit der Geschichte in Kommunikation mit jedem anderen mensch-
lichen Grund zu denken, das eigene Bewußtsein dem fremden sich verbindend. In
diesem Sinne läßt sich von den Jahrhunderten zwischen 800 und 200 vor Christus
sagen: sie sind die empirisch einsehbare Achse der Weltgeschichte für alle Menschen.
Die transzendente Geschichte christlichen Offenbarungsglaubens kennt Schöp-
fung, Abfall, Offenbarungsschritte, Weissagungen, Erscheinung des Gottessohns, Er-
41 lösung und End|gericht. Sie bleibt als Glaubensinhalt einer geschichtlichen Gruppe
von Menschen unangetastet. Das aber, worauf alle Menschen sich verbinden können,
ist nicht Offenbarung, sondern muß die Erfahrung sein. Offenbarung ist die Gestalt
geschichtlich partikularen Glaubens, Erfahrung ist dem Menschen als Menschen zu-
gänglich. Wir - alle Menschen - können gemeinsam wissen von der Wirklichkeit die-
ser universalen Verwandlung der Menschheit in der Achsenzeit. Sie beschränkt sich
zwar auf China, Indien und das Abendland, hat aber, obgleich zunächst noch ohne
gegenseitige Berührung dieser drei Welten, die Universalgeschichte begründet, alle
Menschen geistig in sich hineingezogen.
b) Weil die dreifache geschichtliche Modifikation des Schrittes der Achsenzeit besteht,
ist es wie eine Aufforderung zur grenzenlosen Kommunikation. Die anderen zu sehen und zu
verstehen, hilft zur Klarheit über sich selbst, zur Überwindung der möglichen Enge je-
der in sich abgeschlossenen Geschichtlichkeit, zum Absprung in die Weite. Dies Wagen
grenzenloser Kommunikation ist noch einmal das Geheimnis der Menschwerdung, nicht
in der uns unzugänglichen, vorgeschichtlichen Vergangenheit, sondern in uns selbst.
Der Anspruch dieser Kommunikation - durch die geschichtliche Tatsache der Drei-
fachheit des Ursprungs - ist das beste Mittel gegen die Irrung der Ausschließlichkeit
einer Glaubenswahrheit. Denn Glauben kann immer nur unbedingt in geschichtli-
cher Existenz, nicht allgemeingiltig für alle in Aussagbarkeiten sein, wie wissenschaft-
liche Wahrheit. Der Ausschließlichkeitsanspruch, dieses Mittel des Fanatismus, des
menschlichen Hochmuts, der Selbsttäuschung durch den Machtwillen, dieses Unheil
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
4. Die Frage nach dem Sinn der Achsenzeit24
Eine ganz andere Frage als die nach der Ursache ist die nach dem Sinn der Achsenzeit.
Der Tatbestand der dreifach erscheinenden Achsenzeit ist wie ein Wunder, sofern
eine wirklich zureichende Erklärung, soviel wir bis jetzt sehen, außerhalb des Horizon-
tes unserer Erklärungsmöglichkeiten liegt. Der verborgene Sinn dieses Tatbestandes ist
jedoch überhaupt nicht empirisch als ein irgendwo von jemandem gemeinter Sinn zu
finden. Nach ihm zu fragen, bedeutet vielmehr nur, was wir aus dem Tatbestand ma-
chen, was uns daraus zuwächst. Wenn dabei Ausdrücke unterlaufen, als ob wir an
einen Plan der Vorsehung dächten, so sind das nur Gleichnisse.
a) Den Tatbestand der Achsenzeit wirklich zu sehen, ihn zum Boden unseres uni-
versalen Geschichtsbildes zu gewinnen, das heißt: etwas gewinnen, was der ganzen
Menschheit, über alle Unterschiede des Glaubens hinweg, gemeinsam ist. Es ist etwas an-
deres, die Einheit der Geschichte allein aus dem eigenen Grunde glaubend zu erblik-
ken, oder die Einheit der Geschichte in Kommunikation mit jedem anderen mensch-
lichen Grund zu denken, das eigene Bewußtsein dem fremden sich verbindend. In
diesem Sinne läßt sich von den Jahrhunderten zwischen 800 und 200 vor Christus
sagen: sie sind die empirisch einsehbare Achse der Weltgeschichte für alle Menschen.
Die transzendente Geschichte christlichen Offenbarungsglaubens kennt Schöp-
fung, Abfall, Offenbarungsschritte, Weissagungen, Erscheinung des Gottessohns, Er-
41 lösung und End|gericht. Sie bleibt als Glaubensinhalt einer geschichtlichen Gruppe
von Menschen unangetastet. Das aber, worauf alle Menschen sich verbinden können,
ist nicht Offenbarung, sondern muß die Erfahrung sein. Offenbarung ist die Gestalt
geschichtlich partikularen Glaubens, Erfahrung ist dem Menschen als Menschen zu-
gänglich. Wir - alle Menschen - können gemeinsam wissen von der Wirklichkeit die-
ser universalen Verwandlung der Menschheit in der Achsenzeit. Sie beschränkt sich
zwar auf China, Indien und das Abendland, hat aber, obgleich zunächst noch ohne
gegenseitige Berührung dieser drei Welten, die Universalgeschichte begründet, alle
Menschen geistig in sich hineingezogen.
b) Weil die dreifache geschichtliche Modifikation des Schrittes der Achsenzeit besteht,
ist es wie eine Aufforderung zur grenzenlosen Kommunikation. Die anderen zu sehen und zu
verstehen, hilft zur Klarheit über sich selbst, zur Überwindung der möglichen Enge je-
der in sich abgeschlossenen Geschichtlichkeit, zum Absprung in die Weite. Dies Wagen
grenzenloser Kommunikation ist noch einmal das Geheimnis der Menschwerdung, nicht
in der uns unzugänglichen, vorgeschichtlichen Vergangenheit, sondern in uns selbst.
Der Anspruch dieser Kommunikation - durch die geschichtliche Tatsache der Drei-
fachheit des Ursprungs - ist das beste Mittel gegen die Irrung der Ausschließlichkeit
einer Glaubenswahrheit. Denn Glauben kann immer nur unbedingt in geschichtli-
cher Existenz, nicht allgemeingiltig für alle in Aussagbarkeiten sein, wie wissenschaft-
liche Wahrheit. Der Ausschließlichkeitsanspruch, dieses Mittel des Fanatismus, des
menschlichen Hochmuts, der Selbsttäuschung durch den Machtwillen, dieses Unheil