Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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ständigen Ursprünge verschleiert durch die unbestimmte Behauptung des eurasiati-
schen Zusammenhangs. Vielleicht, so meint man nichtssagend, sind doch uns nicht
mehr zugängliche Einflüsse dagewesen. Man weist auf die Einheit der Geschichte des
gesamten eurasiatischen Blockes hin, die durch die immer erneuten | Vorstöße, Wan- 39
derungen und Eroberungen aus Zentralasien her bestimmt wurde, auf die nachweis-
baren Parallelen in technischen und ornamentalen Befunden, die bis in frühe Vorge-
schichte zurückreichen und auf einen ständigen Austausch über den ganzen großen
Kontinent schließen lassen. Dagegen aber ist zu sagen, daß die geistige Bewegung der
Achsenzeit in ihrer Gleichzeitigkeit und in der Sublimiertheit ihrer Gehalte solcher
Art von Wanderung und Austausch nicht zugänglich ist. -
Die einfachste Erklärung der Erscheinungen der Achsenzeit scheint schließlich
durch Rückführung auf gemeinsame soziologische Bedingungen möglich, die für das
geistige Schöpfertum vorteilhaft waren: viele kleine Staaten und kleine Städte; eine
politisch zersplitterte, überall kämpfende Zeit; Not durch Kämpfe und Revolutionen
bei gleichzeitigem Gedeihen, da nirgends universale und radikale Zerstörung geschah;
Infragestellen der bisherigen Zustände. Das sind soziologische Erwägungen, die sinn-
voll sind, zu methodischer Forschung führen, aber am Ende den Tatbestand erleuch-
ten, nicht kausal erklären. Denn diese Zustände gehören mit zum geistigen Gesamt-
phänomen der Achsenzeit. Sie sind Bedingungen, die nicht notwendig zu dem
schöpferischen Ergebnis führen, und sie sind selber zu befragen, woher sie in dieser
Gemeinsamkeit kommen.
Niemand kann zureichend begreifen, was hier geschah und zur Achse der Weltge-
schichte wurde! Der Tatbestand dieses Durchbruchs ist zu umkreisen, in mannigfa-
chen Aspekten festzuhalten, in seiner Bedeutung zu interpretieren, um ihn vorläufig
als wachsendes Geheimnis vor Augen zu gewinnen.
Es könnte scheinen, als ob ich einen Eingriff der Gottheit beweisen wollte, ohne es
deutlich auszusprechen. Keineswegs. Denn das wäre nicht nur ein salto mortale des
Erkennens in eine Scheinerkenntnis, sondern auch eine Zudringlichkeit gegen die
Gottheit. Ich möchte vielmehr nur verwehren die bequeme und nichtssagende Auf-
fassung der Geschichte als eines begreiflichen und notwendigen Ganges der Mensch-
heit, - möchte das Bewußtsein von der Bezogenheit unseres Erkennens auf jeweilige
Standpunkte, Methoden und Tatbestände bewahren und damit das Bewußtsein von
der Partikularität allen Erkennens, - möchte die Frage offen halten und möglichen
neuen Erkenntnis |ansätzen, die wir uns noch gar nicht vorwegnehmend vorstellen 40
können, Raum lassen.
Das Staunen vor dem Geheimnis ist selber ein fruchtbarer Erkenntnisakt als Aus-
gang weiteren Forschens, dann aber vielleicht gerade das Ziel all unseres Erkennens,
nämlich durch maximales Wissen zum eigentlichen Nichtwissen vorzudringen, statt
das Sein verschwinden zu lassen in der Verabsolutierung zum in sich geschlossenen
Erkenntnisgegenstand.
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ständigen Ursprünge verschleiert durch die unbestimmte Behauptung des eurasiati-
schen Zusammenhangs. Vielleicht, so meint man nichtssagend, sind doch uns nicht
mehr zugängliche Einflüsse dagewesen. Man weist auf die Einheit der Geschichte des
gesamten eurasiatischen Blockes hin, die durch die immer erneuten | Vorstöße, Wan- 39
derungen und Eroberungen aus Zentralasien her bestimmt wurde, auf die nachweis-
baren Parallelen in technischen und ornamentalen Befunden, die bis in frühe Vorge-
schichte zurückreichen und auf einen ständigen Austausch über den ganzen großen
Kontinent schließen lassen. Dagegen aber ist zu sagen, daß die geistige Bewegung der
Achsenzeit in ihrer Gleichzeitigkeit und in der Sublimiertheit ihrer Gehalte solcher
Art von Wanderung und Austausch nicht zugänglich ist. -
Die einfachste Erklärung der Erscheinungen der Achsenzeit scheint schließlich
durch Rückführung auf gemeinsame soziologische Bedingungen möglich, die für das
geistige Schöpfertum vorteilhaft waren: viele kleine Staaten und kleine Städte; eine
politisch zersplitterte, überall kämpfende Zeit; Not durch Kämpfe und Revolutionen
bei gleichzeitigem Gedeihen, da nirgends universale und radikale Zerstörung geschah;
Infragestellen der bisherigen Zustände. Das sind soziologische Erwägungen, die sinn-
voll sind, zu methodischer Forschung führen, aber am Ende den Tatbestand erleuch-
ten, nicht kausal erklären. Denn diese Zustände gehören mit zum geistigen Gesamt-
phänomen der Achsenzeit. Sie sind Bedingungen, die nicht notwendig zu dem
schöpferischen Ergebnis führen, und sie sind selber zu befragen, woher sie in dieser
Gemeinsamkeit kommen.
Niemand kann zureichend begreifen, was hier geschah und zur Achse der Weltge-
schichte wurde! Der Tatbestand dieses Durchbruchs ist zu umkreisen, in mannigfa-
chen Aspekten festzuhalten, in seiner Bedeutung zu interpretieren, um ihn vorläufig
als wachsendes Geheimnis vor Augen zu gewinnen.
Es könnte scheinen, als ob ich einen Eingriff der Gottheit beweisen wollte, ohne es
deutlich auszusprechen. Keineswegs. Denn das wäre nicht nur ein salto mortale des
Erkennens in eine Scheinerkenntnis, sondern auch eine Zudringlichkeit gegen die
Gottheit. Ich möchte vielmehr nur verwehren die bequeme und nichtssagende Auf-
fassung der Geschichte als eines begreiflichen und notwendigen Ganges der Mensch-
heit, - möchte das Bewußtsein von der Bezogenheit unseres Erkennens auf jeweilige
Standpunkte, Methoden und Tatbestände bewahren und damit das Bewußtsein von
der Partikularität allen Erkennens, - möchte die Frage offen halten und möglichen
neuen Erkenntnis |ansätzen, die wir uns noch gar nicht vorwegnehmend vorstellen 40
können, Raum lassen.
Das Staunen vor dem Geheimnis ist selber ein fruchtbarer Erkenntnisakt als Aus-
gang weiteren Forschens, dann aber vielleicht gerade das Ziel all unseres Erkennens,
nämlich durch maximales Wissen zum eigentlichen Nichtwissen vorzudringen, statt
das Sein verschwinden zu lassen in der Verabsolutierung zum in sich geschlossenen
Erkenntnisgegenstand.