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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0008
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Einleitung des Herausgebers

Jaspers schrieb Vom Ursprung und Ziel der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg in
einer Lebensperiode, in der er die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus in
Deutschland noch in frischer Erinnerung hatte. Waren er und seine jüdische Frau doch
nach seiner Zwangspensionierung und dem Publikationsverbot während der Nazizeit
selber extrem gefährdet, durch den Transport in ein Konzentrationslager Opfer der Na-
zidiktatur zu werden.1 Eine Folge des persönlichen Erlebens des Naziregimes in inne-
rer Emigration war die verstärkte Hinwendung zu politischen Themen. Jaspers äußert
sich dazu in einer autobiographischen Schrift folgendermaßen: »Die Politik ist eine
Wirklichkeit, die uns auf den Nägeln brennt! Sie bestimmt unser Dasein. Wir sind von
ihr abhängig. Das wurde mir erst deutlich mit dem Nationalsozialismus. Wohl habe
ich schon in den zwanziger Jahren angefangen, mich mit Politik zu beschäftigen: In
meiner »Geistigen Situation der Zeit< (1931). Aber entscheidend war doch die Nazizeit.«2
Die Einsicht in die zentrale Bedeutung der Politik für das menschliche Dasein ver-
anlasste Jaspers nach 1945 sowohl zu aktuellen Fragen der deutschen Politik als auch
zu Konstellationen in der Weltpolitik (etwa der Atomkriegsgefahr zwischen der UdSSR
und den USA) Stellung zu nehmen.3 Diese Stellungnahmen weisen viele implizite und
explizite moralisch-politische Appelle auf, die von einem liberalen Ethos der Freiheit
und der Humanität getragen sind.
1. Jaspers als politischer Denker
Die erste politische Buchveröffentlichung nach dem Zweiten Weltkrieg, in der die ap-
pellierende Intention offensichtlich ist, war die 1946 erschienene Schrift Die Schuld-
frage. Ein Beitrag zur deutschen Frage. Sie war sowohl eine Reaktion auf das Naziregime
als auch auf die nach Ende des Krieges erhobene Kollektivschuldthese (u.a. durch die
Schriftstellerin Sigrid Undset) gegen das gesamte deutsche Volk. Jaspers entwickelt
eine Differenzierung des pauschalen Schuldbegriffs in vier Formen von Schuld (krimi-

1 Vgl. dazu: H. Saner: Karl Jaspers, Reinbek I22OO5, 47.
2 »Karl Jaspers - Ein Selbstporträt«, 35.
3 Vgl. vor allem die Schriften: Die Atombombe und die Zukunft des Menschen. Politisches Bewußtsein
in unserer Zeit, München 1958; Freiheitund Wiedervereinigung. Über Aufgaben deutscher Politik, Mün-
chen 1960; Hoffnung und Sorge. Schriften zur deutschen Politik 1945-1965, München 1965; Wohin
treibt die Bundesrepublik? Tatsachen - Gefahren - Chancen, München 1966; Antwort. Zur Kritik mei-
ner Schrift >Wohin treibt die Bundesrepublik?^ München 1967.
 
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