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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0085
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

ten Natur würde. Aber es ist keineswegs zuverlässig wie Naturgesetze. Menschenfresserei
hatte ein Ende, kann jedoch jeden Augenblick wieder da sein. Ausrottung kam vor und
ist, nachdem man sie für unmöglich gehalten hatte, in größtem Ausmaß wieder gesche-
hen. Bedingung unseres Menschseins ist menschliche Solidarität, erhellt durch Natur-
recht und Menschenrecht, stets verraten und immer wieder als Anspruch sich meldend.
67 | Darum die eigentümlich menschliche Befriedigung im Verständnis mit den Fern-
sten, - und der Anspruch, den Menschen als Menschen zu sehen, so wie Rembrandt30
einen Neger malt, oder wie Kant31 formulierte: daß ein Mensch nie nur als Mittel, son-
dern immer als Selbstzweck gesehen und behandelt werden dürfe.32

68 | 4. Die alten geschichtlichen

Hochkulturen

a. Überblick
Es erwachsen nur ungefähr gleichzeitig in drei Gebieten der Erdoberfläche die ältesten
hohen Kulturen, erstens die sumerisch-babylonische, ägyptische, ägäische Welt seit
4000, zweitens die in ersten Ausgrabungen sichtbar werdende vorarische Induskultur
des dritten Jahrtausends (die im Zusammenhang mit den Sumerern stand), drittens
die alte, nur in Erinnerungen unbestimmt durchscheinende, in spärlichen Resten
greifbare archaische chinesische Welt des zweiten Jahrtausends vor Christus (wahr-
scheinlich schon früher).
Die Atmosphäre ist gegenüber der Vorgeschichte mit einem Schlage anders. Es ist
nicht mehr das Schweigen, sondern Menschen sprechen in schriftlichen Dokumen-
ten zueinander und damit zu uns, sobald wir ihre Schrift und Sprache verstehen, - spre-
chen in Bauten, welche Organisation und Staatlichkeit voraussetzen, in Kunstwerken,
die einen uns fremden Sinn in uns doch ansprechenden Formen verbergen.
Aber diese hohen Kulturen entbehren noch der geistigen Revolution, die wir als
Achsenzeit vergegenwärtigt haben und die ein neues Menschsein, unser Menschsein
begründete. Man kann ihnen amerikanische Kulturen in Mexiko und Peru - deren
Blüte aber Jahrtausende später liegt - vergleichen. Auch diesen fehlt alles, was - zeit-
lich schon vor ihnen - die Achsenzeit gebracht hat. Sie verschwanden vor der bloßen
Gegenwart abendländischer, auf die Achsenzeit zurückgehender Kultur.
In dem Wüstengürtel, der sich vom Atlantischen Ozean durch Afrika über Arabien
bis tief nach Asien hinein erstreckt, gibt es, außer vielen kleinen Oasen, zwei große Strom-
 
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