Stellenkommentar
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Abendland in dogmatischen Philosophien, »sogenannten wissenschaftlichen Weltan-
schauungen« und dogmatisierten religiösen Offenbarungswahrheiten zum Ausdruck
kommt. Zur Kritik am religiösen Offenbarungsglauben von monotheistischen Konfessio-
nen vgl. K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, 479-536.
25 Vergil, Publius Vergilius Maro, 70-19 v. Chr.; römischer Dichter, neben Horaz der bedeu-
tendste der augusteischen Zeit.
Augustus Gaius Octavius, 63 v. Chr.-i4 n. Chr.; römischer Kaiser, Nachfolger Caesars,
er beendete die Bürgerkriege in Rom.
Solon (von Athen), 640-560 v. Chr.; Dichter und Politiker in Athen; er gab Athen eine
Verfassung, die als Vorläuferin von demokratischen Verfassungen angesehen wird, weil da-
rin die Mitbestimmung der Bürgerschaft gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Adels
festgelegt wurde. Jaspers hat 1948 einen Beitrag über Solon in der Festschrift für A. Weber
anlässlich von dessen 80. Geburtstag verfasst, in dem er Solon als »großen Staatsmann«
würdigt, bei dem »zum erstenmal anschaulich« werde, »was der abendländische Freiheits-
gedanke sei«. (K. Jaspers: »Solon«, in: Aneignung und Polemik, 22 u. 31).
26 Wenn Jaspers hier von einer neuen, uns noch fernen zweiten Achsenzeit spricht, dann
verneint er die Auffassung, die in neueren Diskussionen über seine Achsenzeitthese ver-
treten worden ist, nämlich dass in Europa der Beginn des wissenschaftlich-technischen
Zeitalters zwischen 1500 und 1800 eine neue Achsenzeit darstelle. Jaspers meint hinge-
gen, eine neue, zweite Achsenzeit müsse universal sein und die »Menschheit im Ganzen«
betreffen. Das wissenschaftlich-technische Zeitalter sei eine »rein europäische Erschei-
nung« und keine »menschheitliche, weltumspannende Achse«. Vgl. auch weitere Stellen
in diesem Band, 78-79 und 210, wo Jaspers noch einmal auf die Frage nach einer neuen
Achsenzeit zu sprechen kommt und diese als bloße Möglichkeit in eine ferne Zukunft ver-
legt.
27 Bachofen, Johann Jakob, 1815-1887; Rechtshistoriker und Altertumsforscher; erwirkte als
Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Hauptwerk: Das Mutterrecht. Eine
Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur,
Stuttgart 1861. Bachofens »Visionen« über mutterrechtliche Kulturen in der Vorge-
schichte der Menschheit werden von Jaspers als wichtige Beiträge zu einem »schauenden
Verstehen« des Menschseins interpretiert. Ein solches Verstehen gehe aus methodischer
Sicht über die historisch-empirische Erforschung der Frühzeit hinaus (vgl. auch in die-
sem Band, 43).
28 Die Feststellung, dass es keine abschließende Antwort auf die Frage geben könne, was der
Mensch ist, bringt eine zentrale philosophisch-anthropologische Grundannahme von Jas-
pers zum Ausdruck. Dass der Mensch in seinem »Wesen«, seiner »Eigentlichkeit«, »Ganz-
heit« oder »Totalität« prinzipiell nicht durch empirisch-rationale Erkenntnis fassbar sei, hat
Jaspers vielfach betont. Eine Wendung, die er dazu öfters wiederholt, ist die Aussage: »Der
Mensch ist grundsätzlich mehr, als er von sich weiß und wissen kann« (vgl. etwa: K. Jas-
pers: Einführung in die Philosophie, 62, und »Über meine Philosophie«, in: ders.: Rechenschaft
und Ausblick, 420). Eine andere Formulierung dieser Grundannahme lautet: »Auf die Frage,
was der Mensch sei, kann die Antwort nie genügen. Denn was der Mensch sein könne,
bleibt immer noch in seiner Freiheit verborgen, solange er Mensch ist.« (K. Jaspers: Kleine
Schule des philosophischen Denkens, 59). Was den historischen Kontext dieser anthropologi-
schen Grundannahme betrifft, sind vor allem Einflüsse von Kant, Kierkegaard und Max
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Abendland in dogmatischen Philosophien, »sogenannten wissenschaftlichen Weltan-
schauungen« und dogmatisierten religiösen Offenbarungswahrheiten zum Ausdruck
kommt. Zur Kritik am religiösen Offenbarungsglauben von monotheistischen Konfessio-
nen vgl. K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, 479-536.
25 Vergil, Publius Vergilius Maro, 70-19 v. Chr.; römischer Dichter, neben Horaz der bedeu-
tendste der augusteischen Zeit.
Augustus Gaius Octavius, 63 v. Chr.-i4 n. Chr.; römischer Kaiser, Nachfolger Caesars,
er beendete die Bürgerkriege in Rom.
Solon (von Athen), 640-560 v. Chr.; Dichter und Politiker in Athen; er gab Athen eine
Verfassung, die als Vorläuferin von demokratischen Verfassungen angesehen wird, weil da-
rin die Mitbestimmung der Bürgerschaft gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Adels
festgelegt wurde. Jaspers hat 1948 einen Beitrag über Solon in der Festschrift für A. Weber
anlässlich von dessen 80. Geburtstag verfasst, in dem er Solon als »großen Staatsmann«
würdigt, bei dem »zum erstenmal anschaulich« werde, »was der abendländische Freiheits-
gedanke sei«. (K. Jaspers: »Solon«, in: Aneignung und Polemik, 22 u. 31).
26 Wenn Jaspers hier von einer neuen, uns noch fernen zweiten Achsenzeit spricht, dann
verneint er die Auffassung, die in neueren Diskussionen über seine Achsenzeitthese ver-
treten worden ist, nämlich dass in Europa der Beginn des wissenschaftlich-technischen
Zeitalters zwischen 1500 und 1800 eine neue Achsenzeit darstelle. Jaspers meint hinge-
gen, eine neue, zweite Achsenzeit müsse universal sein und die »Menschheit im Ganzen«
betreffen. Das wissenschaftlich-technische Zeitalter sei eine »rein europäische Erschei-
nung« und keine »menschheitliche, weltumspannende Achse«. Vgl. auch weitere Stellen
in diesem Band, 78-79 und 210, wo Jaspers noch einmal auf die Frage nach einer neuen
Achsenzeit zu sprechen kommt und diese als bloße Möglichkeit in eine ferne Zukunft ver-
legt.
27 Bachofen, Johann Jakob, 1815-1887; Rechtshistoriker und Altertumsforscher; erwirkte als
Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Hauptwerk: Das Mutterrecht. Eine
Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur,
Stuttgart 1861. Bachofens »Visionen« über mutterrechtliche Kulturen in der Vorge-
schichte der Menschheit werden von Jaspers als wichtige Beiträge zu einem »schauenden
Verstehen« des Menschseins interpretiert. Ein solches Verstehen gehe aus methodischer
Sicht über die historisch-empirische Erforschung der Frühzeit hinaus (vgl. auch in die-
sem Band, 43).
28 Die Feststellung, dass es keine abschließende Antwort auf die Frage geben könne, was der
Mensch ist, bringt eine zentrale philosophisch-anthropologische Grundannahme von Jas-
pers zum Ausdruck. Dass der Mensch in seinem »Wesen«, seiner »Eigentlichkeit«, »Ganz-
heit« oder »Totalität« prinzipiell nicht durch empirisch-rationale Erkenntnis fassbar sei, hat
Jaspers vielfach betont. Eine Wendung, die er dazu öfters wiederholt, ist die Aussage: »Der
Mensch ist grundsätzlich mehr, als er von sich weiß und wissen kann« (vgl. etwa: K. Jas-
pers: Einführung in die Philosophie, 62, und »Über meine Philosophie«, in: ders.: Rechenschaft
und Ausblick, 420). Eine andere Formulierung dieser Grundannahme lautet: »Auf die Frage,
was der Mensch sei, kann die Antwort nie genügen. Denn was der Mensch sein könne,
bleibt immer noch in seiner Freiheit verborgen, solange er Mensch ist.« (K. Jaspers: Kleine
Schule des philosophischen Denkens, 59). Was den historischen Kontext dieser anthropologi-
schen Grundannahme betrifft, sind vor allem Einflüsse von Kant, Kierkegaard und Max