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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0218
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung 117
Ausgeliefertsein an die erkennbaren Prozesse des biologischen und psychologischen
und soziologischen Daseins.
Wenn unsere andere Herkunft uns bewußt wird, die vor aller Welt und über alle
Welt hinaus ist, in der Welt aber nicht Gegenstand werden kann, dann erfahren wir in
gesteigerter Helligkeit unsere Verantwortung. Wir öffnen uns für dieses andere, das wir
im Sinne von Weltsein nicht wissen können.
Die wesentliche Folge dieser Selbstvergewisserung dessen, wie wir in der Welt uns
finden, ist diese: die Welt ist für uns nicht alles, aber es gibt auch keine andere, zweite
Welt. In Formen dieser Welt als Chiffern kommt uns zum Bewußtsein, was aus unse-
rer eigentlichen Herkunft uns anspricht, auf sie weist, uns ihr verbindet.
| Die Erscheinungshaftigkeit des Daseins
Eine uralte philosophische Einsicht, die von Kant zur endgültigen Klarheit gebracht
ist, sei vorweggenommen. Das Auge in der Welt und das Licht, das wir sind und in dem
wir sehen, bedeutet die Weise des Seins für uns:
Alles, was für uns ist, was wahrgenommen und gedacht wird, ist Sein für uns in den
Formen, in denen wir es durch unser Bewußtsein überhaupt auffassen. Es ist Erscheinung
als sinnlich gegenwärtige Realität in den Formen von Raum und Zeit, als Erkenntnis in
den Formen der Denkbarkeit durch Kategorien. Die Erscheinung ist hervorgebracht vom
Bewußtsein überhaupt, aber nur ihren Formen nach, nicht dem Dasein nach. Sie ist zwar
Erscheinung, aber kein Schein. Die Formen werden von einem Entgegenkommenden,
an sich Unzugänglichen erfüllt. Erst dadurch ist die Realität der Erscheinung.
Das Bewußtsein überhaupt, das der Ursprung der Formen des uns Erscheinenden
ist, ist selber das eine mit sich Identische, das Allumfassende und Allgemeine, an dem
ein jeder in mehr oder weniger großem Umfang Anteil hat, wenn er Realität erfaßt und
richtig erkennt.
Die Erscheinungshaftigkeit der Welt überhaupt, der Erscheinungscharakter von
Raum und Zeit und von aller Erkennbarkeit der Dinge in der Welt bedeutet nicht eine
Unterscheidung der Welt als einer scheinbaren von einer anderen Welt als der wirkli-
chen. Es gibt nur eine Welt. Aber diese Welt ist Erscheinung, nicht das absolute Sein
selber. Das »Sein an sich« ist ein Grenzbegriff unseres Erkennens, kein Gegenstand für
uns. Dieser Begriff zeigt nur unser Befangensein in der Erscheinung an, ohne etwas an-
deres zu erkennen.
Allein unsere Freiheit hat einen unmittelbaren Bezug zum Sein selber, ist daher aber
auch für unsere Erkenntnis der Dinge in der Welt nicht da, ist kein Gegenstand empi-
rischer Erforschbarkeit.
Mit der Einsicht in die Erscheinungshaftigkeit der Welt gewinnt alles objektive Er-
kennen als solches einen anderen Sinn. Im Gegensatz zu der geläufigen Meinung und
der als Erleben unauslöschlichen Erfahrung, die Dinge selber zu erkennen, bezieht sich

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