Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0298
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung 197
Oder anders gesagt: die Umwendung vollzieht sich, indem sie das Umgreifende aus-
spricht in Gegenständen, die als solche keinen Bestand haben dürfen. Oder wieder an-
ders: die Umwendung bringt zu ihrer Erhellung hervor, was sie wieder verschwinden
lassen muß, wenn sie selber gelingt. Dies Gelingen ist fühlbar in der wachsenden Kraft
der Weisen des Umgreifenden selber, aus denen immer von neuem die Wirklichkeit
gegenwärtig wird, die uns trägt.
Was im Denken getan wird, um durch die Weisen des Umgreifenden uns dessen zu
vergewissern, wie wir uns in der Welt finden, nennen wir die philosophische Grund-
operation. Sie vollzieht aus der Subjekt-Objekt-Spaltung, in der wir auf Gegenstände
gerichtet und an sie gebunden sind, die Umwendung in das Umgreifende, das weder
Subjekt noch Objekt ist, sondern beides in sich schließt. Wenn im Denken des Um-
greifenden dieses selber unausweichlich Gegenstand wird, erzwingt der philosophi-
sche Sinn zugleich die Umwendung ins Gegenstandslose.
Die Umwendung verlangt, wenn sie sich klarwerden soll, das Mittel gegenständli-
chen Denkens, das als solches sie wieder zu vernichten droht. Die Grundoperation,
als solche ausgesagt, verführt durch die Aussagen zu einem Wissen von etwas, wenn
nicht ihr gegenstandsfreies Innewerden, das zugleich ihr Ursprung ist, dies ständig ver-
wehrt dadurch, daß sie das Denken und Sprechen in ihrer Gewalt hat.
In der Antinomie, daß das Umgreifende, das Subjekt und Objekt in sich schließt,
doch wieder gedacht wird, also ein für ein Subjekt bestehendes Objekt zu werden
scheint, kann nur die ständig wiederholte Grundoperation zu jener Gegenwärtigkeit
führen, in der kein Subjekt mehr einen Standpunkt einnimmt, von dem aus das Ganze
wieder objektiv denkbar wird, sondern in der das Umgreifende in allen seinen Weisen
selber wirkt.
Der philosophische Anspruch ist: Statt in einem objektiven Wissen die Dinge, wie
sie an sich sind, vor uns zu haben, statt die Welt im Weltbild, den Menschen im Men-
schenbild endgültig vorzustellen, statt ein System des Seins zu denken, müssen wir zur
Vergewisserung dessen, wie wir uns in der Welt finden und was uns Welt ist, dies alles
vollziehen, aber auch als jeweilige Befangenheit im Objektiven begreifen.
Die Grundoperation hebt uns heraus aus der Fesselung an das Objekt und aus der
Beschränkung im Subjekt. Denn das Umgreifende schließt in sich das Subjekt und Ob-
jekt, in die es sich spaltet, wenn es sich offenbar wird (Denken - Gegenstand, Dasein -
Umwelt, Existenz - Transzendenz). Damit zugleich werden also die Grunderfahrun-
gen in der Ursprungsverschiedenheit der Weisen des Umgreifenden vollzogen.
3. Die Umwendung durch die Grundoperation ist ein Moment der Umkehr. - Die Umwen-
dung, die die philosophische Grundoperation zugleich vollzieht und bewußt macht,
ist ein Moment der Umkehr, durch die wir als Menschen erst zu eigentlichen Men-
schen werden.
Sind wir uns der Bodenlosigkeit der Welt, der Unergründlichkeit unserer Herkunft,
der Einzigartigkeit des Menschseins in der Welt, dieses Auges und Lichtes im dunklen

i33
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften