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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
In der Unbedingtheit geschichtlicher Einsenkung des Einen wirkt der ferne Gott,
der alle Weisen der Geschichtlichkeit umgreift, aber von keiner umgriffen wird.
Der Unbedingtheit in der je einen geschichtlichen Existenz entspricht die Nicht-
absolutheit jeder geschichtlichen Erscheinung, Gestaltung, Handlung und Sprache.
Je entschiedener das Eine der Transzendenz, desto offener ist die auf sie gerichtete
Seele für andere Seelen, desto entschiedener drängt sie zur nie Genüge leistenden Kom-
munikation von Seele zu Seele. Das unmittelbar unzugängliche Eine wird mittelbar
und allein zugänglich durch die Kraft, die es dem uneingeschränkten Willen zur Kom-
munikation gibt. Ihre Verwirklichung in liebendem Kampf berührt die Wirklichkeit
des Einen. Das Eine macht nicht Propaganda für eine Sache, sondern stiftet Kommu-
nikation.
Wo aber im Dasein der Kampf um Daseinsraum unausweichlich ist, da macht das
Eine, das alle, auch die Kämpfenden, verbindet, den Kampf »ritterlich«: im Ungenü-
gen, im Horizont des Unbegreiflichen, in der Aufgelockertheit des Unfaßlichen kämp-
fen die in dies Schicksal Verschlagenen. In der Härte des Sichbehauptens und im Schei-
tern werden die Kämpfenden zu Liebenden durch das Eine, das sie verbindet.
Ist das leere Phantasie? Es ist, wenn auch selten, wirklich. Es war im Mittelalter eine
hohe Idee. In der Antike gab es Ansätze. Heute gibt es die vereinzelten Menschen, die
solche Weise des Kampfes begehren und ständig versuchen. Wenn sie auch scheitern,
sind sie es, die die menschlichen Dinge innerlich Zusammenhalten, wenn sie in der
universalen Zerstreutheit und den brüchigen Konventionen zerrinnen und dann äu-
ßerlich zur Vereinheitlichung vergewaltigt werden.
(5) Die Chiffer des Einen drängt über alle andern Chiffern hinaus, über die Man-
nigfaltigkeit der Chiffern in den Grund aller Chiffern, über die Vieldeutigkeit der Chif-
fern in das fraglos Eine.
Dieses Eine, seit Plato das große Thema der Philosophie, ist nicht das Eine, das dem
Anderen gegenübersteht, nicht die Einheit eines Ganzen, die andere Einheiten außer
sich haben kann, nicht die Eins als Zahl. Das Eine als Chiffer (das transzendent Eine)
wird am Leitfaden solcher Weisen des Einen gedacht, aber geht in der Identifizierung
mit ihnen verloren.
216 | Insbesondere: Solange das Eine Chiffer ist, ist es als das numerisch Eine, als Zahl
nicht angemessen aufgefaßt. Es ist nicht das quantitativ, sondern qualitativ Eine. In
der Äußerlichkeit der bloßen Zahl ist die Chiffer verschwunden. Der Charakter der
Zahl ist zweideutig. Er hat den Sinn der Chiffer, die im numerisch Einen die Kraft des
Einen der Transzendenz leuchten läßt. Er kann irreführen und wirft dann mit dem
bloß numerisch Einen das Verderben des Fanatismus in die Welt.
Ein Beispiel ist der Sinn der einen Liebe zwischen den Geschlechtern:
Die eine Liebe erscheint als Geschenk der Transzendenz, ist dem Willen entzogen, aber durch
ihn vielleicht als Möglichkeit vorzubereiten. Niemand weiß, ob seine Liebe diese metaphysisch
gegründete ist. Niemand weiß es vom andern. Doch der erhellende philosophische Gedanke
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
In der Unbedingtheit geschichtlicher Einsenkung des Einen wirkt der ferne Gott,
der alle Weisen der Geschichtlichkeit umgreift, aber von keiner umgriffen wird.
Der Unbedingtheit in der je einen geschichtlichen Existenz entspricht die Nicht-
absolutheit jeder geschichtlichen Erscheinung, Gestaltung, Handlung und Sprache.
Je entschiedener das Eine der Transzendenz, desto offener ist die auf sie gerichtete
Seele für andere Seelen, desto entschiedener drängt sie zur nie Genüge leistenden Kom-
munikation von Seele zu Seele. Das unmittelbar unzugängliche Eine wird mittelbar
und allein zugänglich durch die Kraft, die es dem uneingeschränkten Willen zur Kom-
munikation gibt. Ihre Verwirklichung in liebendem Kampf berührt die Wirklichkeit
des Einen. Das Eine macht nicht Propaganda für eine Sache, sondern stiftet Kommu-
nikation.
Wo aber im Dasein der Kampf um Daseinsraum unausweichlich ist, da macht das
Eine, das alle, auch die Kämpfenden, verbindet, den Kampf »ritterlich«: im Ungenü-
gen, im Horizont des Unbegreiflichen, in der Aufgelockertheit des Unfaßlichen kämp-
fen die in dies Schicksal Verschlagenen. In der Härte des Sichbehauptens und im Schei-
tern werden die Kämpfenden zu Liebenden durch das Eine, das sie verbindet.
Ist das leere Phantasie? Es ist, wenn auch selten, wirklich. Es war im Mittelalter eine
hohe Idee. In der Antike gab es Ansätze. Heute gibt es die vereinzelten Menschen, die
solche Weise des Kampfes begehren und ständig versuchen. Wenn sie auch scheitern,
sind sie es, die die menschlichen Dinge innerlich Zusammenhalten, wenn sie in der
universalen Zerstreutheit und den brüchigen Konventionen zerrinnen und dann äu-
ßerlich zur Vereinheitlichung vergewaltigt werden.
(5) Die Chiffer des Einen drängt über alle andern Chiffern hinaus, über die Man-
nigfaltigkeit der Chiffern in den Grund aller Chiffern, über die Vieldeutigkeit der Chif-
fern in das fraglos Eine.
Dieses Eine, seit Plato das große Thema der Philosophie, ist nicht das Eine, das dem
Anderen gegenübersteht, nicht die Einheit eines Ganzen, die andere Einheiten außer
sich haben kann, nicht die Eins als Zahl. Das Eine als Chiffer (das transzendent Eine)
wird am Leitfaden solcher Weisen des Einen gedacht, aber geht in der Identifizierung
mit ihnen verloren.
216 | Insbesondere: Solange das Eine Chiffer ist, ist es als das numerisch Eine, als Zahl
nicht angemessen aufgefaßt. Es ist nicht das quantitativ, sondern qualitativ Eine. In
der Äußerlichkeit der bloßen Zahl ist die Chiffer verschwunden. Der Charakter der
Zahl ist zweideutig. Er hat den Sinn der Chiffer, die im numerisch Einen die Kraft des
Einen der Transzendenz leuchten läßt. Er kann irreführen und wirft dann mit dem
bloß numerisch Einen das Verderben des Fanatismus in die Welt.
Ein Beispiel ist der Sinn der einen Liebe zwischen den Geschlechtern:
Die eine Liebe erscheint als Geschenk der Transzendenz, ist dem Willen entzogen, aber durch
ihn vielleicht als Möglichkeit vorzubereiten. Niemand weiß, ob seine Liebe diese metaphysisch
gegründete ist. Niemand weiß es vom andern. Doch der erhellende philosophische Gedanke