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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0017
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XVI

Einleitung des Herausgebers

mit sich habe vornehmen lassen. Dass Jaspers 1923, zu einem Zeitpunkt also, als die
Reformdebatte der frühen Weimarer Republik bereits weitgehend abgeklungen war, in
einer eigenen Schrift das Wort ergreift, legt jedoch die Vermutung nahe, dass neben
den genannten Reformvorhaben auch biographische Aspekte eine wichtige Rolle für
die Publikation gespielt haben. So lässt sich die Veröffentlichung einerseits als Vorha-
ben lesen, sich anlässlich des Antritts seines Ordinariats innerhalb des universitären
Lebens zu verorten, und andererseits als Versuch, der »Kampfgemeinschaft«, in der
sich Jaspers zu jener Zeit mit seinem jüngeren und damals noch weitgehend unbe-
kannten Philosophenkollegen Martin Heidegger wähnte,44 den Boden zu bereiten. Ein
Beleg hierfür findet sich in einem Brief an Heidegger vom 4. November 1923. Darin
schreibt Jaspers: »[...] zumal meine Universitäts-Idee, wenn auch in Haltung und Stil
noch auf dem Niveau und im Kreise meiner Weltanschauungs-Psychologie, manche
Sätze enthält, die als Brief an Sie gelten können.«45 Mit Heidegger, dem einzigen Phi-
losophen seiner Zeit, den Jaspers wirklich schätzte,46 vereinte Jaspers die Kritik an der
Professorenphilosophie, an Standesdünkel, Unredlichkeit und mangelnder Originali-
tät. Der Einfluss dieser Freundschaft auf Jaspers’ erste Universitätsschrift dürfte ent-
sprechend stark gewesen sein. Ein Jahr zuvor, am 24. November 1922, hatte Jaspers be-
merkt: »[W]ir wissen beide selbst nicht, was wir wollen; d.h. wir sind beide getragen
von einem Wissen, das noch nicht explizite besteht«.47 Die Schrift zur Universitätsidee
kann vor diesem Hintergrund als ein erster Versuch gelesen werden, dieses gemein-
same Wissen sowohl zu konstituieren als auch zu artikulieren und auf dieser Grund-
lage eigene Reformvorschläge zu erarbeiten - auch wenn kurz nach der Veröffentli-
chung eine Jaspers zugetragene despektierliche Äußerung Heideggers über das Buch
für erste Irritationen in der Freundschaft sorgte.48
In seiner Universitätsschrift nimmt Jaspers für sich in Anspruch, stellvertretend
für Menschen zu sprechen, die »ihr Leben in den Dienst der Universitätsidee gestellt

44 Heidegger hatte seine Freundschaft mit Jaspers erstmals in einem Brief vom 27. Juni 1922 als
»Kampfgemeinschaft« bezeichnet (M. Heidegger, K. Jaspers: Briefwechsel, 29). Jaspers übernahm
diesen Ausdruck und verwendete ihn selbst in einem Brief vom 6. September 1922 (vgl. ebd., 32).
Vgl. zur Freundschaft zwischen Heidegger und Jaspers: B. Weidmann: »»Liebender Kampf< und
»deutsche Universität« Die gescheiterte Freundschaft zwischen Karl Jaspers und Martin Heideg-
ger«, in: S. Müller-Doohm, T. Jung (Hg.): Prekäre Freundschaften. Über geistige Nähe und Distanz, Pa-
derborn 2011,121-143.
45 M. Heidegger, K. Jaspers: Briefwechsel, 45 (Jaspers an Heidegger, 4. November 1923).
46 Vgl. K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 92.
47 M. Heidegger, K. Jaspers: Briefwechsel, 35 (Jaspers an Heidegger, 24. November 1922).
48 Karl Löwith berichtete Jaspers nach Erscheinen der Erstausgabe, Heidegger habe ihm gegenüber
über Die Idee der Universität geurteilt, dieses Buch sei »das Belangloseste unter allen Belanglosig-
keiten heute« (vgl. K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 97). Zur Rede gestellt, stritt Heidegger
die Äußerung ab, woraufhin Jaspers das Ganze für »nichtexistent und erledigt« erklärte (ebd.).
Vgl. zu den Positionen Jaspers’ und Heideggers zur Universität: B. Weidmann: »»Liebender Kampf<
und »deutsche Universität*«, bes. 134-139.
 
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