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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0027
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XXVI

Einleitung des Herausgebers

terdisziplinäre Blick ist für ihn wesentlich und erfordert letztlich das, was Sinnbild der
Universitas in ihrer von Jaspers aufgegriffenen Bedeutung als Universitas litterarum ist,
nämlich die Versammlung und wechselseitige Durchdringung aller Wissenschaften
unter dem Dach einer Korporation. Jaspers hat mit seiner Ablehnung des Fachhoch-
schulwesens neben der artikulierten Gefahr einer Trennung von Forschung und Lehre
auch die Gefährdung der Universität als »Kosmos der Wissenschaften« im Blick.
An den genannten Positionen hat Jaspers auch nach 1945 festgehalten, diese aber
zum einen weiter ausdifferenziert und ergänzt, und zum anderen neu in der Nach-
kriegssituation verortet. Um die Hintergründe seiner Auseinandersetzung mit den wis-
senschaftlichen und universitären Entwicklungen der NS-Zeit transparenter werden
zu lassen, sollen diese im Folgenden zusammen mit den Geschehnissen der unmittel-
baren Nachkriegszeit erörtert werden.
5. Die deutsche Universität im Nationalsozialismus
Erste Vorboten einer nationalistischen und antisemitischen Radikalisierung weiter
Teile der Studentenschaft und eines Teils des Lehrkörpers waren Gründungen von
neuen und das Erstarken bereits vorhandener nationalistischer Studentenverbände.97
Diese gingen bereits früh mit Denunziationen sowie gezielten Protestaktionen gegen
jüdische Gelehrte vor und trieben damit die Universitätsleitungen vielerorts vor sich
her.98 Die NS-affinen Studentenverbände wurden zuletzt sukzessive vom 1926 gegrün-
deten »Nationalsozialistischen deutschen Studentenbund« (NSDStB) abgelöst, der
dazu ausersehen war, der nationalsozialistischen Machtübernahme und der Infiltrie-
rung der Universitäten durch die NS-Ideologie den Boden zu bereiten. Obwohl bereits
im Sommer 1926 die Mehrheit der Studierenden als antidemokratisch, antiliberal und
völkisch-national gesinnt gelten musste,99 konnte sich der NSDStB mit seiner politi-

97 Exemplarisch hierfür stehen der »Deutsche Hochschulring« (DHR), der bereits 1880 gegründete
»Verein Deutscher Studenten« (VDSt), aber auch die »Deutsche Studentenschaft« (DSt), die ih-
rem Selbstverständnis nach im Dienste der deutschen Nation stand und im Zuge der Gleichschal-
tung der Studentenschaft am 22. April 1933 als alleinige Gesamtvertretung der an deutschen
Hochschulen immatrikulierten Studierenden anerkannt wurde (vgl. H. Titze: »Hochschulen«, in:
D. Langewiesche, H.-E. Tenorth [Hg.]: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. V, München
1984,209-240,215; H. Weisert: Verfassung der Universität, 133; H.-U. Wehler: DGG IV, 287).
98 Viel diskutierte Beispiele hierfür waren die Fälle Emil Julius Gumbel (Heidelberg 1924,1925,1932),
der für Jaspers 1924 als damaliges Mitglied des Disziplinarausschusses auch biographische Rele-
vanz hatte (vgl. K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 60-62), sowie Ernst Cohn (Breslau 1932),
den Jaspers zum Anlass nahm, ein Manuskript mit dem Titel »Freiheit der Wissenschaft und der
Lehre« zu verfassen (DLA, A: Jaspers, undatiert).
99 Vgl. M. H. Kater: Studentenschaft und Rechtsradikalismus, n; H. P. Bleuel, E. Klinnert: Deutsche Stu-
denten auf dem Weg ins Dritte Reich. Ideologien - Programme - Aktionen 1918-1935, Gütersloh 1967,
186,189.
 
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