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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0026
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Einleitung des Herausgebers

XXV

wie politische Unvereinbarkeit seiner Vorstellungen mit den hochschulpolitischen
Zielen des nationalsozialistischen Staates muss ihm jedoch bewusst geworden sein.
Das Manuskript blieb unter Verschluss, obwohl Jaspers es ursprünglich an das Minis-
terium hatte schicken wollen.* * * 94 Handschriftliche Notizen auf einem Beiblatt95 belegen,
dass Jaspers darauf hingewiesen worden war, sich mit dem Versuch eines Einschaltens
in die Reformdebatte persönlich auf gefährliches Terrain zu begeben. Die Tatsache,
dass Jaspers inhaltlich wie konzeptuell an der neuhumanistischen Bildungsuniversi-
tät festhielt und trotz seiner Kritik am Antisemitismus in der nationalsozialistischen
Machtübernahme eine Chance für die Universitätsidee sehen konnte, spricht dafür,
dass ihm 1933 die Hoffnung auf einen die deutsche Universitätsidee rettenden, von
seinem Freund Heidegger mitgestalteten Umbruch in der Hochschulpolitik den Blick
für das absehbare Abgleiten Deutschlands in eine verhängnisvolle Diktatur gänzlich
verstellt hat.
Dabei blieben seine Vorstellungen von den Aufgaben, Zielen und den Prinzipien
der Universität in den Jahren 1923 bis 1933 unverändert. Konzeptuell bildet seit der frü-
hesten Publikation zur Universitätsidee sein Humanität und Elitarismus verklammern-
des Konzept der Geistesaristokratie den Fluchtpunkt seiner Ausführungen, auf den er
alle Bereiche des universitären Lebens ausgerichtet wissen will. Dass Jaspers in seinen
»Thesen« gleichsam als Gegengewicht zu seiner auf die Entlastung von Verwaltungs-
aufgaben gegründeten Befürwortung des Führerprinzips eine Ausweitung der Freiheit
von Forschung und Lehre fordert, ist ein beredter Beleg für den hohen Stellenwert, den
er der Universität als freiheitlicher Entfaltungs- und Förderungsstätte des »geistigen
Adels« einräumt. Zwar ist die Hochschule auch für ihn eine Ausbildungsinstitution,
allerdings für eine Auswahl von Berufen, die eine »forschende Grundhaltung« erfor-
dern, weil sie mit der »Totalität der Lebensverhältnisse« und dem ganzen Menschen
befasst sind,96 und deren Ausbildung unmittelbar aus der Auseinandersetzung mit der
wissenschaftlichen Forschung erwächst. Der weite Horizont, den Jaspers für diese Pro-
fessionen, d.h. für den Arzt, Lehrer, Juristen, Pfarrer usw. fordert, ist allerdings nicht
nur auf die reflektierte Aneignung, forschende Durchdringung und Reflexion der Pra-
xis angewiesen. Auch der über die Spezifik der eigenen Disziplin hinausreichende in-

sung, die auf seinen Vorschlag zurückging und am 22. August 1933 u.a. im Heidelberger Tageblatt
und den Heidelberger Neuesten Nachrichten veröffentlicht wurde (vgl. H. Saner: »>Thesen< im kriti-
schen Vergleich«, 172).
94 Ein dem Text beigelegter Briefentwurf deutet darauf hin, dass Jaspers mit dem Gedanken gespielt
hat, die »Thesen« selbst an das Kultusministerium in Karlsruhe zu schicken (vgl. DLA, A: Jaspers;
H. Saner: »>Thesen< im kritischen Vergleich«, 171).
95 Auf einem Beiblatt zum Text steht der Vermerk: »Nicht abgesandt: 1) Heidegger ist informiert -
durch Brief von mir - er kann, wenn er will, die Regierung darauf hinweisen [vgl. Fußnote Nr. 82].
2) Ungefragt kann ich nichts tun, da mir gesagt wird, dass ich als nicht zur Partei gehörig und als
Gatte einer jüdischen Frau nur geduldet bin und kein Vertrauen haben kann« (DLA, A: Jaspers).
96 K. Jaspers: Die Idee der Universität [1923], 41.
 
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