Die Idee der Universität [1946]
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sie die Macht hätten, intolerant wären. Sie vertraut darauf, daß sie das ertragen kann,
mag nur in Bewegung, nicht in ruhigem Besitz leben. Ihr Kommunikationswille
möchte auch das gegen Kommunikation sich Sträubende aufschließen. Der Idee wäre
es ungemäß, irgendeinen Mann von geistigem Rang, der tatsächliche wissenschaftli-
che Leistungen zeigt und fortdauernd wissenschaftlich arbeitet - auch wenn diese Wis-
senschaft letzthin im Dienste eines fremden Interesses steht -, abzulehnen. Ebenso
ungemäß aber wäre es, zu verlangen, für »jede Weltanschauung« Vertreter an der Uni-
versität - etwa in philosophischen, historischen, soziologischen, Staatswissen| schäft- 65
liehen Fächern - zu schaffen. Wenn auf dem Boden einer Weltanschauung tatsächlich
keine Persönlichkeit von wissenschaftlich erheblichem Rang entstanden ist, so kann
diese Weltanschauung sich im Reiche der Wissenschaft auch nicht zur Geltung brin-
gen. Die Neigung des einzelnen Menschen ist es gewiß, daß er am liebsten mit Gesin-
nungsgenossen zusammenlebt. Sofern er zur Idee der Universität sich bekennt und bei
der Auswahl der Menschen mitzureden hat, wird er gerade dazu neigen, das Entfern-
teste heranzuziehen, Möglichkeiten des Kampfes zu schaffen, die Spannweite des gei-
stigen Umfangs - auch wenn es mit Gefahren verknüpft ist - zu erweitern, vor allem
aber wissenschaftliche Leistung und geistigen Rang allein entscheiden zu lassen. Die
Idee der Universität läßt es nicht nur zu, sondern fordert, Persönlichkeiten in ihren
Körper aufzunehmen, die ihr selbst widersprechen. Sofern diese Persönlichkeiten ihre
außerwissenschaftlichen Glaubensinhalte und Autoritäten innerhalb der Universität
nicht nur zum Gegenstand der Darstellung und Diskussion machen, nicht nur als Im-
puls für ihre Forschung wirken lassen, sondern die Universität damit zu beherrschen
suchen, in der Auswahl von weiteren Persönlichkeiten zunächst auf ihre Gesinnungs-
genossen blicken, wissenschaftliche Freiheit durch prophetische Propaganda ersetzen,
dann würde die Idee der Universität sich in den anderen Gliedern der Institution aufs
schärfste widersetzen.
Sechstes Kapitel
Institution
Die Universität erfüllt ihre Aufgaben - Forschung, Unterricht, Erziehung, Kommuni-
kation - im Rahmen ihrer Institution. Sie braucht die Gebäude, die Materialien, Bü-
cher und Institute und die Ordnung einer Verwaltung dieser Dinge. Sie braucht eine
Verteilung von Rechten und Pflichten unter ihre Glieder. Sie ist ein geschlossener Kör-
per als Korporation. Sie lebt unter einer Verfassung.
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sie die Macht hätten, intolerant wären. Sie vertraut darauf, daß sie das ertragen kann,
mag nur in Bewegung, nicht in ruhigem Besitz leben. Ihr Kommunikationswille
möchte auch das gegen Kommunikation sich Sträubende aufschließen. Der Idee wäre
es ungemäß, irgendeinen Mann von geistigem Rang, der tatsächliche wissenschaftli-
che Leistungen zeigt und fortdauernd wissenschaftlich arbeitet - auch wenn diese Wis-
senschaft letzthin im Dienste eines fremden Interesses steht -, abzulehnen. Ebenso
ungemäß aber wäre es, zu verlangen, für »jede Weltanschauung« Vertreter an der Uni-
versität - etwa in philosophischen, historischen, soziologischen, Staatswissen| schäft- 65
liehen Fächern - zu schaffen. Wenn auf dem Boden einer Weltanschauung tatsächlich
keine Persönlichkeit von wissenschaftlich erheblichem Rang entstanden ist, so kann
diese Weltanschauung sich im Reiche der Wissenschaft auch nicht zur Geltung brin-
gen. Die Neigung des einzelnen Menschen ist es gewiß, daß er am liebsten mit Gesin-
nungsgenossen zusammenlebt. Sofern er zur Idee der Universität sich bekennt und bei
der Auswahl der Menschen mitzureden hat, wird er gerade dazu neigen, das Entfern-
teste heranzuziehen, Möglichkeiten des Kampfes zu schaffen, die Spannweite des gei-
stigen Umfangs - auch wenn es mit Gefahren verknüpft ist - zu erweitern, vor allem
aber wissenschaftliche Leistung und geistigen Rang allein entscheiden zu lassen. Die
Idee der Universität läßt es nicht nur zu, sondern fordert, Persönlichkeiten in ihren
Körper aufzunehmen, die ihr selbst widersprechen. Sofern diese Persönlichkeiten ihre
außerwissenschaftlichen Glaubensinhalte und Autoritäten innerhalb der Universität
nicht nur zum Gegenstand der Darstellung und Diskussion machen, nicht nur als Im-
puls für ihre Forschung wirken lassen, sondern die Universität damit zu beherrschen
suchen, in der Auswahl von weiteren Persönlichkeiten zunächst auf ihre Gesinnungs-
genossen blicken, wissenschaftliche Freiheit durch prophetische Propaganda ersetzen,
dann würde die Idee der Universität sich in den anderen Gliedern der Institution aufs
schärfste widersetzen.
Sechstes Kapitel
Institution
Die Universität erfüllt ihre Aufgaben - Forschung, Unterricht, Erziehung, Kommuni-
kation - im Rahmen ihrer Institution. Sie braucht die Gebäude, die Materialien, Bü-
cher und Institute und die Ordnung einer Verwaltung dieser Dinge. Sie braucht eine
Verteilung von Rechten und Pflichten unter ihre Glieder. Sie ist ein geschlossener Kör-
per als Korporation. Sie lebt unter einer Verfassung.