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Die Idee der Universität [1946]
tausch eines Gemeinsamen, das als Ausgang neuer Einsichten die Gemeinschaft in der
Sache, in der Idee bedeutet. Verborgen wächst solcher Geist zwischen Freunden, wird
bewährt und sichtbar in objektiven Leistungen, um dann als geistige Bewegung in öf-
fentliche Erscheinung zu treten.
Ein gemeinsamer Geist solcher Art, der die gesamte Universität verbände, ist un-
möglich. Er gehört kleineren Gruppen, und die Universität hat das höchste Leben,
wenn solche Gruppen wieder in Wechselwirkung treten.
3. Sichtreffen der Wissenschaften und Weltanschauungen
An der Universität vereinigen sich alle Wissenschaften. Ihre Vertreter begegnen sich.
Die Gegenwärtigkeit aller Wissensweisen an einem Orte bringt sie in Beziehung, ver-
mag sie zu steigern. Diese gegenseitige Anregung führt auf die Einheit der Wissenschaf-
ten hin. Die ständige Zerstreuung im Zerfall der Wissenschaften zu einem Aggregat
zwingt durch die wiedererweckte Beziehung zum Bewußtsein ihrer Zusammengehörig-
keit und zu den Anstrengungen, das Ziel des Einsseins nicht aus dem Auge zu verlieren.
Die Kommunikation der Wissenschaften wird jedoch getragen von einer tieferen
Kommunikation: dem Zueinanderdrängen geistiger Bewegungen, die erst im Aufein-
anderstoßen auch sich selbst ganz offenbar werden.
64 | Der Kommunikationswille richtet sich auch auf das Fremde und Ferne, auch auf
Menschen, die sich geistig in sich und ihrem Glauben kommunikationslos abkapseln
möchten. Er sucht die Gefahr, in Frage gestellt zu werden, weil nur in der äußersten
Infragestellung offenbar wird, ob Wahrheit auf dem eigenen Wege ist. Das hat eine
grundsätzliche Folge für die Zulassung geistiger Bewegungen an der Universität.
Das Durchdrungensein von der Idee der Universität ist Element einer Weltanschau-
ung:34 des Willens zu unbeschränktem Forschen und Suchen, zur grenzenlosen Ent-
faltung der Vernunft, zur Alloffenheit, zur Infragestellung von jedem, was in der Welt
vorkommen kann, zur unbedingten Wahrheit mit der ganzen Gefahr des sapere aude.
Man könnte die Folgerung ziehen wollen, also habe nur diese Weltanschauung an der
Universität ihren Platz. Das hätte ein Prüfen des Anderen auf seine Weltanschauung
zur Folge. Gerade das widerspricht der Universitätsidee. Sie prüft nicht die Weltan-
schauung, sondern die wissenschaftliche Leistung und das geistige Niveau eines Men-
schen, den sie zu ihrem Gliede machen möchte. Sie unterscheidet sich von sektenhaf-
ten, kirchlichen, von allen fanatischen Kräften, die ihre Weltanschauung aufdringen
und in ihren Kreisen entfalten wollen, dadurch, daß sie nur frei gedeihen will und lie-
ber zugrunde geht, als sich vor fremder Geistigkeit sorgsam zu hüten, sich dem an die
Wurzel gehenden geistigen Kampf zu entziehen. Nur auf eines kann sie bei ihren Glie-
dern nie verzichten, auf fachliche, wissenschaftliche Leistung, auf handwerkliche
Tüchtigkeit und auf »Niveau«. Im übrigen aber wird sie selbst Menschen in sich auf-
nehmen, die das sacrificio del intelletto78 begehen, selbst solche, die ihrerseits, wenn
Die Idee der Universität [1946]
tausch eines Gemeinsamen, das als Ausgang neuer Einsichten die Gemeinschaft in der
Sache, in der Idee bedeutet. Verborgen wächst solcher Geist zwischen Freunden, wird
bewährt und sichtbar in objektiven Leistungen, um dann als geistige Bewegung in öf-
fentliche Erscheinung zu treten.
Ein gemeinsamer Geist solcher Art, der die gesamte Universität verbände, ist un-
möglich. Er gehört kleineren Gruppen, und die Universität hat das höchste Leben,
wenn solche Gruppen wieder in Wechselwirkung treten.
3. Sichtreffen der Wissenschaften und Weltanschauungen
An der Universität vereinigen sich alle Wissenschaften. Ihre Vertreter begegnen sich.
Die Gegenwärtigkeit aller Wissensweisen an einem Orte bringt sie in Beziehung, ver-
mag sie zu steigern. Diese gegenseitige Anregung führt auf die Einheit der Wissenschaf-
ten hin. Die ständige Zerstreuung im Zerfall der Wissenschaften zu einem Aggregat
zwingt durch die wiedererweckte Beziehung zum Bewußtsein ihrer Zusammengehörig-
keit und zu den Anstrengungen, das Ziel des Einsseins nicht aus dem Auge zu verlieren.
Die Kommunikation der Wissenschaften wird jedoch getragen von einer tieferen
Kommunikation: dem Zueinanderdrängen geistiger Bewegungen, die erst im Aufein-
anderstoßen auch sich selbst ganz offenbar werden.
64 | Der Kommunikationswille richtet sich auch auf das Fremde und Ferne, auch auf
Menschen, die sich geistig in sich und ihrem Glauben kommunikationslos abkapseln
möchten. Er sucht die Gefahr, in Frage gestellt zu werden, weil nur in der äußersten
Infragestellung offenbar wird, ob Wahrheit auf dem eigenen Wege ist. Das hat eine
grundsätzliche Folge für die Zulassung geistiger Bewegungen an der Universität.
Das Durchdrungensein von der Idee der Universität ist Element einer Weltanschau-
ung:34 des Willens zu unbeschränktem Forschen und Suchen, zur grenzenlosen Ent-
faltung der Vernunft, zur Alloffenheit, zur Infragestellung von jedem, was in der Welt
vorkommen kann, zur unbedingten Wahrheit mit der ganzen Gefahr des sapere aude.
Man könnte die Folgerung ziehen wollen, also habe nur diese Weltanschauung an der
Universität ihren Platz. Das hätte ein Prüfen des Anderen auf seine Weltanschauung
zur Folge. Gerade das widerspricht der Universitätsidee. Sie prüft nicht die Weltan-
schauung, sondern die wissenschaftliche Leistung und das geistige Niveau eines Men-
schen, den sie zu ihrem Gliede machen möchte. Sie unterscheidet sich von sektenhaf-
ten, kirchlichen, von allen fanatischen Kräften, die ihre Weltanschauung aufdringen
und in ihren Kreisen entfalten wollen, dadurch, daß sie nur frei gedeihen will und lie-
ber zugrunde geht, als sich vor fremder Geistigkeit sorgsam zu hüten, sich dem an die
Wurzel gehenden geistigen Kampf zu entziehen. Nur auf eines kann sie bei ihren Glie-
dern nie verzichten, auf fachliche, wissenschaftliche Leistung, auf handwerkliche
Tüchtigkeit und auf »Niveau«. Im übrigen aber wird sie selbst Menschen in sich auf-
nehmen, die das sacrificio del intelletto78 begehen, selbst solche, die ihrerseits, wenn