Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0338
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

263

| Einleitung

VON
Karl Jaspers

Das Bild der Universität

Die Universität hat die Aufgabe, die Wahrheit in der Gemeinschaft von Forschern und
Studenten zu suchen.195
Sie ist die Stätte, an der das hellste Bewußtsein des Zeitalters197 sich entfalten soll.
Dort dürfen als Lehrer und Studenten Menschen zusammenkommen, die den Beruf
haben, uneingeschränkt Wahrheit als solche, ihrer selbst wegen, zu ergreifen. Daß ir-
gendwo bedingungslose Wahrheitsforschung stattfinde, ist ein Anspruch des Men-
schen als Menschen.
Gesellschaft und Staat heben ihre Universitäten gleichsam empor. Sie schützen sie
als von ihnen selber unabhängige Gebilde. Sie vertrauen der eigenen Verantwortung
ihrer Träger, an deren Auslese als mit Einfällen und freier Arbeitslust begabter, wahr-
haftiger Menschen alles gelegen ist. In Staaten, die durch Wahrheit leben wollen, gilt
ein auf Unwahrheit gegründetes Leben nicht als lebenswert. Solche Staaten sehen für
ihren eigenen Bestand in der Wahrheit den größten Vorteil. Weil Völker auf Wahrheit
sich gründen wollen, Wahrheit aber nicht nur in abgeschlossenen Resultaten da ist,
brauchen sie die Universitäten, an denen die Wege der Wahrheit in allen nur mögli-
chen Richtungen von Menschen gegangen werden, die mit ihrer Energie sich ganz für
sie einsetzen.
Die Universität ist eine Schule, aber eine einzigartige Schule. An ihr soll nicht nur
unterrichtet werden, sondern der Schüler soll durch die Lehre des Professors an der
forschenden Haltung teilnehmen und dadurch zu einer sein Leben bestimmenden
wissenschaftlichen Denkungsart kommen. Die Studenten sind der | Idee nach selbst- 2
verantwortlich. Sie sollen ihren Lehrern kritisch folgen. Sie haben die Freiheit des Ler-
nens. Für den Professor ist der Beruf, Wahrheit durch Wissenschaft zu überliefern. Er
hat die Freiheit des Lehrers.
Die Universitäten sind Korporationen mit Selbstverwaltung, sei es daß sie ihre öf-
fentliche Autorisierung einst durch päpstliche Bullen, kaiserliche Stiftungsbriefe oder
landesstaatliche Akte oder heute durch ein Staatsgrundgesetz erhalten haben. Sie kön-
nen ihr Eigenleben unabhängig vollziehen, weil die Begründer der Universität dieses
wollen. Sie haben ihr vom Staat freigelassenes Eigenleben aus der unvergänglichen
Idee, einer Idee überstaatlichen, übernationalen, weltweiten Charakters.354 Daher be-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften