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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0312
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Vom rechten Geist der Universität327

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Sehr geehrte Redaktion!
Auf Ihren Wunsch schreibe ich Ihnen einige Worte zu dem Aufsatz von Professor
Coing im vorigen Heft. Sein Ruf zur Besinnung auf die Lage unserer Hochschulen
scheint mir, obgleich jeder Dozent eigentlich weiß, was er hier liest, durch die Radika-
lität der Auffassung und durch die Entschiedenheit der Forderung ebenso überra-
schend wie wahr. Daß die deutschen Universitäten sich in der von ihm gezeigten kri-
tischen Lage befinden, die bei uns zwar analog den meisten anderen Ländern Europas
und Amerikas, aber außerordentlich viel bedrohlicher ist, läßt es unverantwortlich er-
scheinen, die Dinge weiter treiben zu lassen. Eine grundsätzliche, an gewaltige Geld-
aufwendungen gebundene Erneuerung der Struktur unserer Universitäten ist eine
Sache des deutschen Willens. Man muß, meine ich, Coing zustimmen. Nur: zur Ergän-
zung dieses trefflichen Aufsatzes möchte ich auf die Notwendigkeit einer zu ihm ge-
hörenden Besinnung hinweisen. Aber diese Besinnung selbst kann ich unmöglich in
diesem kurzen Schreiben versuchen.
Nehmen wir an, der Wille zur finanziellen Aufwendung sei bei den Regierungen
der zur Zeit herrschenden Parteien da und würde bei einem Wechsel der Parteiherr-
schaft bleiben, so würde im Augenblick, wo die Mittel zur Verfügung gestellt werden
könnten, ein Programm notwendig sein, das sie für bestimmt aufgezeigte Zwecke for-
dert. Dieses Programm aber hätte nicht nur in einer institutionellen Neuordnung von
weiteren Dozententypen, Unterricht, Stipendienverteilung undsoweiter zu bestehen,
sondern müßte, wenn es wirken sollte, ein »Prooimion«328 erhalten, das den Geist des
ganzen Unternehmens entwickelte. Denn während im industriellen und wirtschaft-
lichen Teil unseres Lebens die größten Erfolge möglich sind durch Organisation in Ver-
bindung mit dem Arbeitseifer, der Verstandestüchtigkeit und Zuverlässigkeit einer Be-
völkerung, Eigenschaften, die wir Deutschen in hervorragendem Maße besitzen, kann
auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Lebens, des Erkennens aller Dinge und unse-
rer Lage in ihnen, die Organisation nur dann Erfolg haben, wenn »der Geist« der Be-
teiligten in der Ausführung wirksam ist. Dieser Geist der Universitäten und damit de-
rer, die durch sie ausgebildet sind, ist heute unzuverlässig geworden. Die Substanz der
hohen Überlieferung hat sich verdünnt. Wenn dieser Geist nicht gleichzeitig mit der
neuen Organisation erweckt wird, so bleibt diese vergeblich. Wer organisiert, Gelder
aufwendet, muß nicht nur die Grenze allen Planens und Machens kennen. Mit Wis-
sen um das, was erreicht werden soll, muß er gleichsam das Unplanbare planen, da-
mit der Verwirklichung des Zieles die größte Chance gegeben wird.
 
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