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Hochschulreform? Das Gutachten des Hamburger Studienausschusses
Hochschule. Vielmehr würde echte Demokratie gerade diese fördern als aus der Natur
der Sache entspringend.
348 | Gegenüber dem ungemein verwickelten Bau der geplanten Verfassung aber gilt,
wie mir scheint, dies: Dabei verlieren alle Beteiligten wegen Mangel an Wirksamkeit ih-
rer Arbeit und ihrer Beschlüsse die Lust an der Mitwirkung außer denen, die die Lust am
Betrieb haben. Betriebsamkeit aber ist schädlich auch dann, wenn sie nicht geradezu
zerstört, bloß als Betriebsamkeit. Denn sie lenkt ab, sie täuscht etwas vor, sie erweckt
Unlust bei denen, die wirklich handeln und aus der Idee heraus bessern wollen, sie wird
ein selbständiges leeres Tun von Leuten, die substantiell nichts sind und nichts leisten,
ein sich selbst erhaltendes Mühlwerk im Geist von Parlamentariern, Bürokraten, von
Jägern nach Stellung und Geltung, die diesen Weg des Sichvordrängens wählen, wobei
die Harmlosen und Gutwilligen sich unbemerkt für eine Weile mit hineinreißen lassen.
Solange das geistige Leben der Universitäten nicht in neue Bewegung kommt, und
aus ihm selber die Notwendigkeit verwaltungstechnischer Neuformung erwächst,
würde ich so grundsätzliche Änderungen, wie die, die das Gutachten vorschlägt, für
unerwünscht, weil gefährlich für das noch lebendige Gute und die Keime des Besse-
ren halten. Erstens weil die Kräfte, die diese neue Struktur fruchtbar machen könnten,
nicht da sind, - zweitens weil eine Täuschung entstehen würde, als sei eine Reform ge-
schehen, während in der Tat im Wesentlichen nichts geschehen wäre, - drittens weil
die noch vorhandenen geistesaristokratischen Kräfte vollends gelähmt würden, - vier-
tens weil jene nicht als zwingend notwendig empfundene und begriffene Veränderung
ein neuer Akt der Ehrfurchtslosigkeit gegenüber dem Überlieferten wäre, der als sol-
cher nach den furchtbaren geistigen Verwüstungen noch einen weiteren Schritt von
Zerstörung bedeutet und die Stimmung des vermeintlichen Neuschaffens aus nichts
für nichts durch bloße Betriebsamkeit verstärkt.
So komme ich zu dem Ergebnis, daß dieses wohlgemeinte Gutachten trotz der Auf-
gabe, die es sich gestellt hatte, nämlich der Zeit und ihren Notwendigkeiten zu dienen,
gerade die Wirklichkeit dieser Zeit in Deutschland kaum berücksichtigt, daher in ei-
nem »als ob« verbleibt, dessen verschleiernde Wirkung nicht gut sein kann, - daß die
besonderen Vorschläge zum Teil Wirkungen zur weiteren Nivellierung und Verschu-
lung der Universität haben müssen, - und daß der geistesaristokratische Sinn der
Hochschulen zerstört wird. Die Menge des Trefflichen in diesem Gutachten, von dem
oben eine Reihe von Beispielen gegeben wurde, bleibt bestehen?
i Einen Leser, der für die in diesen Zeilen berührten Gesichtspunkte Interesse hat, darf ich - bei der
Kürze des Gesagten - vielleicht hinweisen auf meine früheren Schriften zu dieser Frage: Die Er-
neuerung der Universität (Wandlung I, Seite 66); Volk und Universität (Wandlung II, Seite 54);
Vom lebendigen Geist der Universität, Heidelberg, Lambert Schneider, 1946; Die Idee der Univer-
sität, Springer-Verlag, 1946.
Hochschulreform? Das Gutachten des Hamburger Studienausschusses
Hochschule. Vielmehr würde echte Demokratie gerade diese fördern als aus der Natur
der Sache entspringend.
348 | Gegenüber dem ungemein verwickelten Bau der geplanten Verfassung aber gilt,
wie mir scheint, dies: Dabei verlieren alle Beteiligten wegen Mangel an Wirksamkeit ih-
rer Arbeit und ihrer Beschlüsse die Lust an der Mitwirkung außer denen, die die Lust am
Betrieb haben. Betriebsamkeit aber ist schädlich auch dann, wenn sie nicht geradezu
zerstört, bloß als Betriebsamkeit. Denn sie lenkt ab, sie täuscht etwas vor, sie erweckt
Unlust bei denen, die wirklich handeln und aus der Idee heraus bessern wollen, sie wird
ein selbständiges leeres Tun von Leuten, die substantiell nichts sind und nichts leisten,
ein sich selbst erhaltendes Mühlwerk im Geist von Parlamentariern, Bürokraten, von
Jägern nach Stellung und Geltung, die diesen Weg des Sichvordrängens wählen, wobei
die Harmlosen und Gutwilligen sich unbemerkt für eine Weile mit hineinreißen lassen.
Solange das geistige Leben der Universitäten nicht in neue Bewegung kommt, und
aus ihm selber die Notwendigkeit verwaltungstechnischer Neuformung erwächst,
würde ich so grundsätzliche Änderungen, wie die, die das Gutachten vorschlägt, für
unerwünscht, weil gefährlich für das noch lebendige Gute und die Keime des Besse-
ren halten. Erstens weil die Kräfte, die diese neue Struktur fruchtbar machen könnten,
nicht da sind, - zweitens weil eine Täuschung entstehen würde, als sei eine Reform ge-
schehen, während in der Tat im Wesentlichen nichts geschehen wäre, - drittens weil
die noch vorhandenen geistesaristokratischen Kräfte vollends gelähmt würden, - vier-
tens weil jene nicht als zwingend notwendig empfundene und begriffene Veränderung
ein neuer Akt der Ehrfurchtslosigkeit gegenüber dem Überlieferten wäre, der als sol-
cher nach den furchtbaren geistigen Verwüstungen noch einen weiteren Schritt von
Zerstörung bedeutet und die Stimmung des vermeintlichen Neuschaffens aus nichts
für nichts durch bloße Betriebsamkeit verstärkt.
So komme ich zu dem Ergebnis, daß dieses wohlgemeinte Gutachten trotz der Auf-
gabe, die es sich gestellt hatte, nämlich der Zeit und ihren Notwendigkeiten zu dienen,
gerade die Wirklichkeit dieser Zeit in Deutschland kaum berücksichtigt, daher in ei-
nem »als ob« verbleibt, dessen verschleiernde Wirkung nicht gut sein kann, - daß die
besonderen Vorschläge zum Teil Wirkungen zur weiteren Nivellierung und Verschu-
lung der Universität haben müssen, - und daß der geistesaristokratische Sinn der
Hochschulen zerstört wird. Die Menge des Trefflichen in diesem Gutachten, von dem
oben eine Reihe von Beispielen gegeben wurde, bleibt bestehen?
i Einen Leser, der für die in diesen Zeilen berührten Gesichtspunkte Interesse hat, darf ich - bei der
Kürze des Gesagten - vielleicht hinweisen auf meine früheren Schriften zu dieser Frage: Die Er-
neuerung der Universität (Wandlung I, Seite 66); Volk und Universität (Wandlung II, Seite 54);
Vom lebendigen Geist der Universität, Heidelberg, Lambert Schneider, 1946; Die Idee der Univer-
sität, Springer-Verlag, 1946.