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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0038
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Einleitung des Herausgebers

XXXVII

Kampf des NS-Regimes gegen die freie Wissenschaft am Ende gescheitert seien.158 Die
Universität sei nicht vollständig zerstört worden, es habe vereinzelt auch vortreffli-
chen Unterricht und unbedingtes Wahrheitssuchen gegeben.159 Hieraus speist sich Jas-
pers’ Vertrauen, dass es nach wie vor große Persönlichkeiten mit Vorbildcharakter
gebe, auf deren Wirken sich auch seine in einem Interview geäußerte Hoffnung stützt,
die Universität könne zur Keimzelle einer Erneuerung der deutschen Kultur und Ge-
sellschaftsordnung werden.160
Diesen Optimismus bringt Jaspers auch in seinem Vortrag »Vom lebendigen Geist
der Universität« zum Ausdruck, mit dem er am n. Januar 1946 eine der demokrati-
schen Erneuerung gewidmete Reihe von Abendvorträgen bekannter Heidelberger Pro-
fessoren für das breite Publikum eröffnete.161 Den Ausgangspunkt seines Vortrags bil-
det dabei die Besinnung auf die vom Heidelberger Germanisten Friedrich Gundolf162
stammende Inschrift »Dem lebendigen Geist« über dem Kollegiengebäude der Uni-
versität Heidelberg. Das geistige Leben, das der Idee folgt, und der »lebendige Geist«
bilden für Jaspers eine Einheit, vor deren Hintergrund er die universitären Realitäten
kritisch in den Blick nimmt. Im Zusammenhang mit der erneut vorgebrachten Kritik
an der Struktur der Universität als »Aggregat von Fachschulen« und der zunehmenden
Verschulung des Studiums betont Jaspers die humanistische Funktion der Universität
»als ein Anliegen der Menschheit«.163 Nur eine von Verschulungszwängen und Nut-
zenkalkül befreite Universität kann ihm zufolge eine Vorbildfunktion einnehmen und
als Identifikationsmodell für ein vermeintlich in einer Umkehr begriffenes Deutsch-
land dienen.164 Die dafür notwendigen Veränderungs- und Erneuerungsprozesse will
Jaspers dabei mit Blick auf Humboldt aber nicht als radikale Neuschöpfung, sondern
»im Sinne einer konservativen Revolution«165 verstanden wissen.

nalsozialisten das Gegenteil von dem getan, was sie forderten, und die Universitäten in einen »Strom
geistiger Verwahrlosung« getrieben (»Vom lebendigen Geist der Universität«, in diesem Band, 95).
T58 K. Jaspers: »Die Wissenschaft im Hitlerstaat«, 43.
T59 Ebd.
r6o Vgl. K. Jaspers: »Die Erneuerung der Universität«, in diesem Band, 82-83.
töt Vgl. R. de Rosa: »Nachweise«, 294-295.
162 Friedrich Gundolf (eigtl. F. Gundelfinger; 1880-1931); Heidelberger Literaturhistoriker und Ger-
manist jüdischer Abstammung, der dem Kreis um den Lyriker Stefan George angehörte. Seine von
George beeinflussten Arbeiten stellen besonders die Einheit von Künstler und Werk in den Vor-
dergrund und deuten die Künstler als Symbolgestalten ihrer Epoche. Gundolf lehrte seit 1916 Ger-
manistik in Heidelberg und galt als einer der prominentesten und meistgelesenen Gelehrten der
Weimarer Republik. Hauptwerke: Shakespeare und der deutsche Geist (1911); Goethe (1916).
163 K. Jaspers: »Vom lebendigen Geist der Universität«, in diesem Band, 90; vgl. zu Jaspers’ Interpre-
tation des Humanismus: »Über Bedingungen und Möglichkeiten eines neuen Humanismus«
[i949]-
164 Vgl. K. Jaspers: »Vom lebendigen Geist der Universität«, in diesem Band, 94.
165 Ebd., 95. Jaspers verwendet den Begriff der »konservativen Revolution« im Sinne einer die Staats-
form einklammernden Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe Deutschlands. Tatsächlich findet
der Begriff, der spätestens 1927 von Hugo von Hofmannsthal in ein ideologisches Leitmotiv ver-
 
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