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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0037
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XXXVI

Einleitung des Herausgebers

Deutschland lebt auch nur immer durch seinen Beitrag zur Wissenschaft und Philo-
sophie. Wir begehren nur eins: daß deren Überlieferung und fortschreitendem For-
schen der Raum vergönnt werde, in dem sich bewähren darf, was jederzeit, im Glück
und im Verhängnis, unser redlichstes Bemühen sein kann.«155
Insgesamt zeigt Jaspers in seiner Neuausgabe der Idee der Universität im Vergleich zu
den Vorkriegsäußerungen nicht nur ein reiferes Bewusstsein von der Abhängigkeit des
Hochschulwesens von der politischen Grundhaltung der Staatsmacht und eine Her-
vorhebung der gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung der Universität. Auch of-
fenbart er eine sehr viel deutlicher konturierte Vorstellung von der Leistungsfähigkeit
und den Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis sowie ein in der Erstausgabe noch
nicht in dieser Weise expliziertes Verständnis des Verhältnisses von Philosophie und
Wissenschaft. Nicht zuletzt gehört zu den wesentlichen inhaltlichen Erweiterungen
der Schrift eine nicht mehr ausschließlich existenzphilosophisch, sondern nunmehr
auch politisch motivierte Sorge um den Erhalt und die Förderung einer geistigen Elite.
8. Vorträge und Aufsätze 1945-1948
Die universitären und wissenschaftlichen Entwicklungen während der NS-Zeit hat
Jaspers am tiefgreifendsten in seinem ersten Vortrag nach dem Krieg anlässlich der
Wiedereröffnung der Universität Heidelberg mit medizinischen Kursen unter dem
Titel »Erneuerung der Universität« und in dem ein Jahr später erschienenen Artikel
»Die Wissenschaft im Hitlerstaat« reflektiert. In beiden Texten vertritt er die These,
dass der Korrumpierung der Wissenschaft durch das NS-Regime bereits vor Hitlers
Machtergreifung der Boden bereitet worden war, und zwar »durch die vorher verbrei-
tete Unklarheit darüber, was Wissenschaft ist -, durch die Unwissenschaftlichkeit in
alltäglichen Urteilen -, durch die Gewöhnung an den Mißbrauch der Wissenschaft«.156
Nach Jaspers hat das eigentliche »Verbrechen am Geist der Wissenschaft« da begon-
nen, wo Forscher »die Wahrheit beugten«, ihre Anschauungen anpassten oder sich in
den Dienst der Parteitendenzen gestellt haben. Als äußere Faktoren macht Jaspers die
Aufhebung der akademischen Selbstverwaltung, die Neuorganisation nach dem Füh-
rerprinzip und die strenge, alle geistige Selbständigkeit restringierende Überwachung
der Universitäten für den Verfall der Wissenschaften verantwortlich.157 Gleichwohl
kommt er zu dem Schluss, dass die parteipolitische Instrumentalisierung und der

155 Ebd., 202.
156 K. Jaspers: »Die Wissenschaft im Hitlerstaat«, 45.
157 Dabei gesteht Jaspers ein, dass auch die Nationalsozialisten einige der u.a. von ihm kritisierten Män-
gel der Universitätsstruktur problematisiert hatten, weshalb von ihnen »vieles Gute[s] und daher
längst Geforderte [s] verlangt« worden sei. Hiervon habe man sich - möglicherweise steckt darin
auch eine gewisse Selbstkritik mit Blick auf seine 1933 verfassten »Thesen zur Frage der Hochschul-
erneuerung« - bezaubern lassen »wie Kinder vom Rattenfänger in Hameln«. Indes hätten die Natio-
 
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