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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0039
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XXXVIII

Einleitung des Herausgebers

Während Jaspers mit den genannten Vorträgen besonders das akademische Publi-
kum angesprochen und aus der universitären Binnenperspektive heraus eine Erneue-
rung Deutschlands aus dem geistigen Grund der Universität beschworen hat, wendete
er sich mit dem Radiovortrag »Volk und Universität«* * * * * * * * * * * * * * * * * 166 erstmals an eine breitere Öf-
fentlichkeit. Die Tatsache, dass der Text auf einem Typoskript mit dem Titel »Bitte um
Gerechtigkeit für die Universität« beruht, das Jaspers im Juli 1946 als Reaktion auf
schwere Vorwürfe der »Arbeitsgemeinschaft der geistig Schaffenden« im »Allgemei-
nen freien Gewerkschaftsbund« gegen die Universität Heidelberg und die zum Stu-
dium zugelassene Jugend verfasst hatte,167 spricht dafür, dass Jaspers sich mit seinem
Vortrag gegen eine öffentliche Diskreditierung der Universitäten stemmen wollte. Be-
hutsam versucht er deshalb, die Sinnhaftigkeit des universitären Lebens gegenüber

wandelt worden war (vgl. ders.: Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation, in: Gesammelte Werke:
Prosa, Bd. VI, Frankfurt a.M. 1955, 413), heute vor allem im Sinne der Interpretation des Jaspers-
Schülers Armin Mohler Verwendung, der ihn 1950 in der überarbeiteten Version seiner 1949 bei
Jaspers eingereichten Dissertation eingehend behandelte (A. Mohler: Die Konservative Revolution
in Deutschland 1918-1932. Grundriß ihrer Weltanschauungen, Stuttgart 1950). Seitdem wird unter
der Konservativen Revolution eine nationalkonservative Bewegung in der Weimarer Republik ver-
standen, die u.a. durch antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Positionen hervorgetre-
ten ist und deren Träger sich laut Mohler z.T. vom Nationalsozialismus »fälschlicherweise« die
Verwirklichung ihrer Ideen erhofft haben (ebd., 8-9,18). Als Protagonisten der Bewegung werden
von verschiedenen Autoren genannt: Max Hildebert Boehm, Hans Freyer, Martin Heidegger,
Edgar Julius Jung, Ernst Jünger, Ernst Niekisch, Carl Schmitt, Martin Spahn, Othmar Spann,
Oswald Spengler, Wilhelm Stapel und Moeller van den Bruck (vgl. S. Breuer: Anatomie der Konser-
vativen Revolution, Darmstadt 1993,3). Die Tatsache, dass der bereits 1848 von Friedrich Engels ver-
wendete Ausdruck »Konservative Revolution« erst durch Mohler eine gewisse Kontur erhalten
hat, sowie der Kontext, in dem Jaspers ihn gebraucht, legen nahe, dass er den Begriff an dieser
Stelle nicht mit der von Mohler beschriebenen nationalkonservativen Bewegung in Verbindung
gebracht hat.
166 Vgl. Fußnote Nr. 140; in diesem Band, 203-211.
167 Der Text wurde 1986 aus dem Nachlass veröffentlicht in: K. Jaspers: Erneuerung der Universität. Re-
den und Schriften, 449-453. Jaspers hatte das Typoskript am 22. Juli 1946 an den damaligen Rek-
tor der Universität Heidelberg, K. H. Bauer, geschickt (K. Jaspers, K. H. Bauer: Briefwechsel, 42-43
[Jaspers an Bauer, 22. Juli 1946]). In einem sechs Tage zuvor in der Rhein-Neckar-Zeitung erschie-
nenen Artikel der »Arbeitsgemeinschaft« war der Universität Heidelberg eine »undemokratische
Haltung« und der zum Studium zugelassenen Jugend eine »faschistische Geisteshaltung« attes-
tiert worden. Man äußerte die Befürchtung, die derzeitigen Lehrkörper an den Hochschulen seien
nicht imstande und nicht willens, von sich aus eine demokratische Reform vorzunehmen. Aus
diesen Thesen leitete die Arbeitsgemeinschaft die an das Ministerium adressierte Forderung ei-
ner »verschärften Überwachung« der Universitäten ab (vgl. K. Jaspers: »Bitte um Gerechtigkeit
für die Universität«, 449, 451). Bauer hatte auf die pauschalisierenden Anschuldigungen der Ar-
beitsgemeinschaft mit einem für die Militärregierung angefertigten »Tatsachenbericht« »Uni-
versität Heidelberg und Heidelberger Gewerkschaften« reagiert (vgl. E. Wolgast: »Karl Heinrich
Bauer - der erste Heidelberger Nachkriegsrektor«, in: J. C. Heß, H. Lehmann, V. Sellin [Hg.]: Hei-
delberg 1945, 107-129,124). Ohne die Arbeitsgemeinschaft darin explizit zu erwähnen, übernahm
Jaspers den größten Teil von »Bitte um Gerechtigkeit für die Universität« in seinen Radiovortrag
»Volk und Universität«.
 
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