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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0249
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Die Idee der Universität [1946]

der Umsetzung des genialen Werks in das allgemeine Wissen und Auffassen. Unsere
höchste Achtung gilt dem Genie, selbst wenn es verkommt. An uns ist die Forderung,
das Ursprüngliche, Geniale zu spüren, es sichtbar zu machen und zur Geltung zu brin-
gen. Darauf kann sich der Wille richten, auf diese Arbeit der Aneignung. Wenn auch der
Unterschied zwischen dem Genie und uns außerordentlich ist, so ist doch das Geniale
oder das Ursprüngliche momentweise in jedem Menschen - zumal in der Jugend nur
dadurch kann uns das Genie angehen, weil wir irgendwo auch von seiner Art sind. Es
95 ist ein absoluter Unterschied zwischen dem Genialen | und allem andern, das nur Bega-
bung ist und guter Wille. Aber niemand ist ganz und gar Genius, sondern doch nur ein
genialer Mensch. Es brennt mehr oder weniger dieses Feuer im Menschen, kein Mensch
ist ein Gott. Aber der Unterschied ist im Grad so ungeheuer, daß wir einen Grund ha-
ben, unsere Distanz zum Genie auch qualitativ zu fühlen; der entscheidende Unter-
schied zwischen Menschen ist, ob dieser Dämon ihr Leben beherrscht oder die Regel
der gesellschaftlichen, beruflichen, ethischen Ordnungen allein und an erster Stelle.
Diese Unterscheidungen zwischen den Voraussetzungen der Begabung, der eigent-
lichen Intelligenz, der Geistigkeit, dem Schöpferischen haben den Mangel, die Bega-
bung im Ganzen als ein jeweils Soseiendes257 aufzufassen.
Erstens sind Charakter und Wesen, die in der Begabung sich zeigen, nicht gegen-
ständlich faßlich, sondern sind das Menschsein, das nur nach einer Seite hin psycho-
logisch objektivierbar und damit erforschbar wird, nach der anderen Seite aber nur
transzendental formuliert werden kann als das Umgreifende, die Idee. Auslese durch
psychotechnische Prüfungen trifft Äußerlichkeiten oder Werkzeuge. Für das Umgrei-
fende gibt es keine objektiven Merkmale.
Zweitens ist kein Mensch endgültig das, als was er in seiner Erscheinung sich zeigt.
Wie ein Volk ein ganz anderes Gesicht aufweisen kann, wenn gegenüber den bisheri-
gen neue Menschentypen aus ihm zur öffentlichen Geltung kommen, die vorher ver-
borgen und dienend bleiben, so kann derselbe Mensch ein völlig verschiedenes Cha-
rakterbild geben, wenn veränderte Redeweise und Gebärde durch Umgebung und
Erziehung andere Elemente aus ihm zu Tage fördern. Jede Verwirklichung des Mensch-
seins ist eine Teilverwirklichung des in ihm Möglichen, eine Verschiebung zugunsten
einzelner Möglichkeiten.
Drittens liegt im Menschen der Ursprung seines Entschlusses. Er entscheidet ir-
gendwo über sich selbst. Das Wort »ich bin nun einmal so« ist dort das Mittel des Aus-
weichens vor seiner Freiheit.
Trotzdem gibt es einen breiten Bestand des unüberwindbaren, jeweils nur zu über-
nehmenden Soseienden im Menschen. Aber man muß vorsichtig sein mit der Behaup-
tung endgültiger Charakteranlagen oder Begabungen, die biologisch vererbbar sind.
96 Ich zweifle nicht daran, daß diese bestehen und in der | Tiefe des Geschehens eine we-
sentliche, sei es ermöglichende, sei es ausschließende Bedeutung haben. Aber sie prä-
gnant festzustellen ist nicht gelungen außer in jenen Voraussetzungen, die objektivier-
 
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