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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0288
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Die Verantwortlichkeit der Universitäten289

3

Unsere Verantwortlichkeit scheint einfach: Wenn wir die uns anvertraute Jugend recht
ausbilden zu ihren Berufen, so haben wir unsere Verantwortlichkeit erfüllt. Aber die
Schwierigkeit liegt in den Fragen: was ist die rechte Ausbildung? und: welche Berufe?
Die rechte Ausbildung der Hochschule ist nicht wie die der Schulen. Die Hochschul-
lehrer sind grundsätzlich zugleich Forscher, weil die Lehre, um die es sich für die akade-
mischen Berufe handelt, nur von Forschern wirkungsvoll vollzogen werden kann. Denn
das Wesentliche ist nicht der selbstverständliche Erwerb von Kenntnissen und Fertig-
keiten, sondern die Teilnahme am Prozeß des Wahrheitssuchens selber. Wir haben es
mit erwachsenen, begabten und vorgebildeten Menschen zu tun, die selbständig arbei-
ten können.
Die Berufe, zu denen die Hochschule ausbildet sind solche, in denen lebensläng-
lich die forschende, kritisch sich selbst korrigierende Haltung Bedingung guter Erfül-
lung ist, und in denen ferner nicht technische Einzelleistungen, sondern durch sol-
che zugleich das Ganze des Menschseins Aufgabe ist: wie für den Pfarrer, den Arzt, den
Richter, den Verwaltungsbeamten, den Lehrer, den Architekten und so weiter.
Gegen diese Thesen hören wir: Das sind Fiktionen. Tatsächlich sei doch die Hoch-
schule eine Schule wie jede andere. Man sehe es am Unterrichtsbetrieb, an den Studien-
plänen, an der Haltung der Mehrzahl der Dozenten und Studenten. Antwort: Diese Be-
obachtung ist zum Teil richtig, wir sind, zumal im letzten halben Jahrhundert in Verfall
geraten. Aber bis heute gibt es auch noch die eigentliche Wirklichkeit der Hochschule,
wenn auch nur in den engeren Bereichen des Studiums der Besten. Da gilt: Je mehr
Schulbetrieb, desto weniger Hochschule. Jene Thesen sind nicht Fiktionen, sondern Aus-
druck der Idee.
Weiter hören wir: Jene Fiktionen seien auch als Leitgedanken falsch. Jede Wissen-
schaft sei eine Spezialisierung. Ausbildung bestehe darin, ein Spezialist zu werden. Ant-
wort: In der Tat ist jeder von uns ein Spezialist, ohne das wäre er ein Schwätzer. Denn
die Wissenschaften sind soweit entwickelt, daß ein Mensch nur in einem beschränk-
ten Umkreise wirklich ganz sachverständig sein kann. Aber der für die Hochschule we-
sentliche Unterschied ist: ob der Spezialist seine Sache isoliert, oder ob er aus dem um-
greifenden Ganzen Ideen erschließt, die ihn beseelen und vorantreiben.
Den Geist der Universität, ihre Idee, aus den Funken in der Asche wieder zu Flamme
zu bringen, das ist unsere Aufgabe. Sie kann heute nur gelingen in Einmütigkeit mit
 
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