Metadaten

Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0308
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hochschulreform? Das Gutachten des Hamburger Studienausschusses

233

tig. Die Folge ist aber das größte Interesse der Universität an der höheren Schule und
daran, wie dort die Auslese faktisch vollzogen wird. Es ist klar, daß dieses Problem nur
in Angriff genommen werden kann durch einen großen Aufwand staatlicher Mittel zu
Stipendien unter Entwicklung von Ausleseverfahren, die den geistig Hervorragenden
die größte Chance geben und doch so viel Lücken lassen, daß verkannte geistige Bega-
bung auch noch, auf sich gestellt, einen Weg finden mag. Es ist ein ungeheures Problem.
Wenn es auf geistige Persönlichkeiten ankommt, dann muß man sich hüten, für
den Mangel an Persönlichkeiten Ersatz schaffen zu wollen durch Institution. Dadurch
verschärft man das Unheil. Dafür einige Beispiele:
Das Gutachten fordert mit Recht den Ausbau des Unterrichts in den Sozialwissen-
schaften, der Soziologie und Geschichte. Aber wo sind in größerer Anzahl die Men-
schen, die als Forscher und Lehrer den hier gestellten Anforderungen genügten? Rich-
tet man den Ausbau ein durch Errichtung von Lehrstühlen, so würden diese durchweg
mit Untauglichen besetzt werden. Das Ziel würde nicht nur nicht erreicht, sondern
durch falsche Verwirklichung verdorben. Konkret könnte man meines Erachtens nur
vorgehen, wenn man die wenigen hierfür unangreifbar geeigneten Persönlichkeiten
unter Bereitstellung beträchtlicher Geldmittel beauftragte, mit einer Frist von fünf bis
zehn Jahren in ihren Seminaren Männer heranzubilden, die von ihnen während des
Unterrichts gewissenhaft ausgewählt wurden. Es müßte dieser Auftrag öffentlich be-
kannt werden, so daß sich Persönlichkeiten, die etwas können, an diese Lehrer wen-
den. Stipendien in großem Umfang müßten ermöglichen, daß wirklich Begabte, die
sich durch einige Semester ausgewiesen haben, dann auf längere Frist zu Studium und
Forschung befreit würden. Wenn etwa, um bedeutende Namen zu nennen, Walter Euk-
ken32° und Franz Böhm321 mit der Heranziehung einer Generation besonders befähigter
Dozenten beauftragt würden und bereit wären, so könnte vielleicht ein wirksames Er-
gebnis erreichbar sein, wenn auch unvermeidlich Nieten mit unterlaufen. Die Auslese
müßte Begabten aus ganz Deutschland eine Chance geben. Das ist nur möglich, wenn
die Mittel reichen, um auch die Hilfskräfte erhalten zu können, die unter Leitung von
bedeutenden Lehrern an der Auslese mitwirken.
Wie die wahren Menschen für die Hochschule zu gewinnen seien, das wird nicht
nur in diesem Falle überwiegend auf dem Wege über bewährte Persönlichkeiten zu ver-
suchen sein. Es ist wohl überhaupt nur auf diesem Wege zu erreichen. Die allgemei-
nen Institutionen mit zahlreichen, namenlosen, faktisch zur Verantwortung unfähi-
gen Funktionären - das führt zu Betrieb und Bürokratie, die hier in Auslesefragen
geistigen Lebens völlig versagen müssen.
Ein anderes Beispiel: Das Gutachten schlägt ein Studium generale322 vor. Es soll der Aus-
bildung aller Studenten zu ganzen Menschen dienen durch Lehre der Grundwissen-
schaften, der philosophischen, soziologischen, psychologischen, der politischen und
geschichtlichen Wissenschaften. Der Blick über die Fachgrenzen hinaus müsse gefördert
und in gewissem Umfang erzwungen werden. Mir scheint: ein heilloser Vorschlag. Was

345
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften