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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0322
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Das Doppelgesicht der Universitätsreform

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| Aber die Reaktionen sind in Deutschland sehr verschieden. Viele sind einfach 85
skeptisch, verleugnen die Idee der Universität, die sie selbst in ihrem Leben nicht prak-
tisch verwirklichen und daher auch nicht verstehen. Sie glauben keinem Ideal, benut-
zen aber dessen Formeln gelegentlich zu rhetorischen Zwecken. Ihr Weg ist, aus die-
ser Skepsis im Wirrwarr - mit geschickten Manipulationen, Täuschungen und
Selbsttäuschungen - wenigstens für sich materiell vorteilhafte Plätze und Ansehen zu
gewinnen, in blinder Besessenheit vom Betrieb und der Arbeit an sich.
Andere sind verzweifelt, lassen ratlos die Dinge gehen und retten für sich, wie sie
meinen, als letzte, noch gerade, was ihnen gelassen wird in anständiger Verwirkli-
chung, unbeachtet, sich nicht vordrängend, bescheiden in ihrem kleinen Umkreis,
kostbare, aber müde Hüter überlieferter Substanz. Wieder andere raffen sich auf aus
der Resignation. Sie erklären entschieden: Die Idee der Universität ist tot! (So schon
nach dem ersten Weltkrieg.) Lassen wir die Illusionen fallen! Jagen wir nicht Fiktio-
nen nach! Machen wir aus der Not eine Tugend: einen neuen Menschentypus, etwas
Unpersönliches, Durchschnittliches, Brauchbares, Funktionierendes! So geben sie sich
optimistisch, planen und organisieren. Im Bewußtsein der Macht und des Gelingens
werden Reformen erdacht für die Heranzüchtung der Arbeiter und Funktionäre für alle Tä-
tigkeitsgebiete, für die etwas gelernt sein muß, um fähig zur Arbeit zu sein. Ohne Ab-
sicht stehen ihre Gedanken im Zusammenhang des in der totalen Herrschaft enden-
den Denkens.339
Der Pessimismus wird gesteigert im Blick auf die Weltsituation.340 Denn wer sich
nicht begnügt mit einem auf Deutschland begrenzten Aspekt, kann erst recht den un-
entrinnbaren Untergang der Universität zu sehen meinen: Deutschlands Universitä-
ten und Schulen, einst sein Glanz, heute noch hier und da nur von alten Leuten in
Deutschland, in Europa, in Amerika und überall in der Welt wehmütig und dankbar
erinnert, werden bald vollends in Vergessenheit versinken. Dieser Prozeß scheint für
viele eine Gewißheit zu gewinnen, wenn sie mit Grauen zu sehen glauben, dies alles
gehöre zu einem umgreifenden Selbstzerstörungsprozeß der Menschheit.
Sie sehen die Massengesellschaft, die Unvereinbarkeit von freier und totaler Herr-
schaft, die heute alles bestimmende, alle lokalen Realitäten übergreifende Weltpoli-
tik; sie sehen die beiden Atommächte, die auch durch Größe ihres Erdraums und ihrer
wachsenden Menschenmassen überragen; sie sehen die Wandlung der Weltgeschichte
durch 600 Millionen Chinesen, die bald in das technische Zeitalter ganz hineinge-
langt sein werden. Das Ende, so denkt wohl mancher, ist entweder eine der | totalen 86
Herrschaft sich fügende Menschheit ohne Menschen (die Atombombe wird in der Erd-
planung dieser Herrschaft dann vielleicht noch zur Ausrottung überzähliger, überflüs-
siger, unerwünschter Menschenmassen in gezielter Anwendung ohne Gefahr für das
Leben auf der Erde im Ganzen zu Anwendung kommen). Oder Menschen fügen sich
nicht, und im Kampf durch die Bomben wird der Untergang des Lebens auf der Erde
das nicht mehr ferne Ergebnis dieser merkwürdigen Geschichte sein, die in dieser Ge-
 
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